: Gericht: Männer müssen draußen bleiben
■ Bonner Amtsgericht erklärt Quotierung bei der Bundestagsfraktion der Grünen in Bonn für rechtens / Männlicher Bewerber abgeblitzt / Frauen dürfen solange bevorzugt eingestellt werden, bis ihr Anteil 50 Prozent beträgt / Geschlagener Mann geht in Berufung
Aus Bonn Ursel Sieber
Die Richterin am Bonner Arbeitsgericht, Birgit Reinecke, hat gestern die erste Klage eines Mannes abgewiesen, der die grüne Bundestagsfraktion wegen „geschlechtsspezifischer Diskriminierung“ verklagt hatte. Damit hat das Gericht in erster Instanz ein bahnbrechendes Urteil gefällt: Die Regelung der Fraktion, Frauen solange zu bevorzugen, bis mindestens 50 Prozent der Arbeitsplätze mit Frauen besetzt sind, wurde insgesamt für rechtmäßig erklärt. Allerdings machte die Richterin während der Verhandlung eine kleine Einschränkung: Sie beanstandete, daß die Stellen–Ausschreibung nur an Frauen gerichtet war. Darin sieht sie einen Verstoß gegen den Paragraph 611b des Bundesgesetzbu ches (BGB), demzufolge Stellen nur geschlechtsneutral ausgeschrieben werden sollen. Diese Einschränkung wird sich wohl auch in der schriftlichen Urteilsbegründung niederschlagen, die gestern noch nicht vorlag. Dennoch war bei den grünen Frauen die Freude groß: „Absolut positiv“ und „wir freuen uns sehr“ lauteten die ersten Reaktionen. Fraktionssprecherin Wal traud Schoppe sagte, da habe eine Richterin „den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz sehr ernst genommen“. Die Parteisprecherin Regina Michalik betonte, die Grünen würden an der bisherigen Praxis festhalten und weiterhin geschlechtsspezifisch ausschreiben. Dadurch würden Männer nicht diskriminiert. Die geschlechtsspezifische Ausschreibung sei „ein politisches Mittel“ zur Herstellung von Geschlechtergleichheit. Laut dem grünen Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz sollen Stellen zunächst zweimal für Frauen und erst dann geschlechtsneutral ausgeschrieben werden. Innerhalb der grünen Fraktion dürfte nach diesem Urteil der Streit um diesen Entwurf erneut aufflammen. Fortsetzung auf Seite 2 Auch im Falle des Klägers, des Rechtsassessors Gerhard Reichert aus Regensburg, hatte die Grünen–Fraktion die Stelle nur für Juristinnen ausgeschrieben. Den noch hatte sich Reichert auf diese Stelle beworben. Als ihm die Fraktion mitteilte, daß für diese Stelle eine Juristin gesucht werde, ging Reichert vor Gericht. Er sah darin eine geschlechtsspezifische Diskriminierung (§611a) und eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Daraus leitete er den Anspruch auf ein Schmerzensgeld von etwa 26.000 Mark ab. Gestern ließ Reichert durch seinen Rechtsanwalt, den Bonner Rechtsschutzsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Axel von Schubert, ein Vergleichsangebot unterbreiten, das die grüne Rechtsanwältin Birgit Laubauch jedoch sofort als „unannehmbar“ zurückwies: Demnach sollte die Fraktion zugestehen, daß sie ihn, Reichert, „unter Hinweis auf dessen Geschlechtszugehörigkeit diskrminiert hat“. „Zur Abgeltung der erlittenen Persönlichkeitsverletzung“ sollte die Fraktion dem Rechtsassessor 12.000 Mark Entschädigung überweisen. Mit diesem Schmerzensgeld hatte sich Reichert etwas Besonderes ausgedacht: Er wollte sich verpflichten, diese Summe nicht in seinen eigenen Geldbeutel zu stecken, sondern an drei Regensburger Frauengruppen zu überweisen. DGB– Anwalt Axel von Schubert erläuterte dieses „Angebot“ so: Sein Mandant wolle „nicht in die Schublade Macho eingeordnet werden“. Dieser Argumentation wollte die Richterin jedoch nicht folgen. Die Verletzung der Persönlichkeitsrechte sei nicht gegeben: Die Fraktion habe nicht die Qualifikation und die Fähigkeiten des Klägers infrage gestellt, sondern sich nur für die Einstellung einer Frau ausgesprochen. Damit entfiele der Anspruch auf ein Schmerzensgeld. Zudem sei die Fraktion, soweit sie Einstellungen vornehme, keine öffentliche, sondern eine private Arbeitgeberin: Die Fraktion sei auch „verlängerter Arm der Partei“, und zur Identität der Grünen gehörten Maßnahmen zur Bevorzugung von Frauen. Der DGB–Rechtsschutzsekretär von Schubert kündigte gestern an, daß sein Mandant in die nächste Instanz zum Landesarbeitsgericht gehen werde.
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