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Traditioneller Postverkehr weiter in den Hintergrund

■ Regierungskommission schlägt Trennung von Post– und Telefondiensten vor

Sein gelbes Wunder wird der Postkunde in den neunziger Jahren erleben, nicht mehr König ist er dann, eher schon der Dumme. Mit Begeisterung hat Bundespostminister Schwarz–Schilling den Bericht der Regierungskommission Fernmeldewesen aufgenommen, die nach zweijähriger Beratungszeit jetzt ihre Empfehlungen zur Trennung von Post– und Fernmeldewesen und zur Teilprivatisierung der Telekommunikationsdienste vorgelegt hat. Schwarz– Schilling kündigte an, auf der Grundlage des Gutachtens eine Kabinettsvorlage für die Neuordnung seines Ressorts schnellstmöglich zu erarbeiten. Nach dem Willen der Kommission soll der Telefonverkehr künftig von einem eigenständigen, öffentlichen Unternehmen „Telekom“ betrieben werden, mit einem Management ähnlich wie bei der Bundesbahn. Folge Nr. 1: Die „Quersubventionierung“ der stark defizitären „gelben Dienste“ der Post (v.a. Brief– und Paketzustellung) durch die äußerst profitablen „grauen Dienste“ des Fernmeldebereiches fallen weg. Hier werden zur Zeit rund zwei Milliarden DM jährlich umgeschichtet. Bisherige Schlechterstellungen der gelben Dienste seit Schwarz–Schillings Amtsantritt (starke Reduzierung der Nachtleerung, längere Transportzeiten) dürften daher nur ein Vorgeschmack auf künftige Einschränkungen im vorprogrammierten Pleitebetrieb Post sein. Kein Zweifel, der Minister mit privatem Engagement in der Kabelbranche, will den persönlichen Brief zurückdrängen. Digitales, Datenübertragenes ist Trumpf. Und da kommt dem Minister das Gutachten der Regierungskom mission, in der nach Parteienproporz der Koalition die Mehrheit gesichert war, gerade recht. Würden die Kommissionsvorschläge realisiert, stünde als Folge Nr. 2 eine Umschichtung in der Gebührenordnung ins Haus. Die zur Zeit nicht kostendeckenden Ortstarife würden möglicherweise drastisch angehoben, während Ferngespräche, die zur Zeit das große Geld für die Post bringen, etwas billiger kämen. Der Bremer Professor Rudolf Hickel, der die Folgen gewinnwirtschaftlicher Umschichtungen der Telefondienste im Ausland untersuchte, weist darauf hin, daß z.B. in Großbritannien die Gebühren für ein Ortsgespräch um rund 35 Prozent gestiegen seien. Die Kommission schlägt - zum Bedauern der FDP, die bereits schon weitergehende Vorstellungen reklamierte - keine Privatisierung des Telefonnetzes vor. Das „Netzmonopol“ soll vorerst zumindest erhalten bleiben. Bestimmte Leistungen könnten zwar auch von Privaten angeboten werden, jedoch auf Leitungen, die zu diesem Zweck von der Post zu mieten sind. Bei der Berechnung der Mietpreise darf sich „Telekom“ nicht ihrer Monopolstellung bedienen, sie muß marktgerecht anbieten, ansonsten darf die Bundesregierung im Dreijahresrhythmus Lizenzen zur Verlegung privater Kabelstrecken vergeben. Über das Netzmonopol hinaus will die Kommission auch das Monopol für die Übermittlung des reinen gesprochenen Wortes, sprich für das gemeine Haus– und Hoftelefon, bei Telekom belassen - ebenfalls gegen den Widerspruch des FDP–Präsidiumsmitglieds Hirche. Kombinierte Text–Bild– Daten–Übertragungen (ISDN– Dienste) sollen jedoch auch Privaten überlassen werden, ebenso Bildschirmtext und Mailbox–Systeme (digitale Fernschreibsysteme modernster Art). Für den internen Gebrauch könnten Konzerne mit mehreren Standorten Standleitungen für die interne Computerkommunikation beantragen. Schließlich soll auch der Endgerätemarkt freigegeben werden, wobei Telekom mit eigenen Angeboten auf den Markt kommen darf. Die „Steckerlösung“ wird vorgeschlagen: Im Telefongeschäft kann das Endgerät vom Micky– Maus–Denkmal bis zum Gobeline–belegten Altdeutschen erstanden, und zu Hause eingestöpselt werden wie der elektrische Dosenöffner. Die Regierungsparteien waren über den Inhalt hocherfreut, CDU–Kommissionsmitglied Hauser warnte jedoch vorerst vor der Preisgabe des Netzmonopoles der Post. Auch sollten die finanziellen Konsequenzen auf den „gelben Bereich“ genau geprüft werden. Der CSU–Politiker Stoiber meldete ähnliche Bedenken in beiden Punkten an. Nach Ansicht des grünen Bundestagsabgeordneten Briefs werde die Post der demokratischen Kontrolle noch weiter entzogen, gewinnträchtige Bereiche der Post sollten der Industrie zugeschanzt werden. Die SPD stimmte in der Kommission gegen die Vorlage, hatte indes keine grundsätzliche Kritik. Peter Glotz erwartete positive Auswirkungen durch die private Konkurrenz der Post. Er warnte aber davor, die Ortsgespräche derart zu verteuern, daß „die Oma die Enkel nicht mehr anrufen kann“. ulk (siehe auch vordere Seiten)

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