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Wasserstoff kein Ersatz für Energiesparen

■ Interview mit dem ehemaligen Atom–Manager und jetzigen -Kritiker Klaus Traube

taz: Zur Zeit wird hierzulande die Kombination von Sonnenenergie und Waserstoff als das Energieversorgungssystem der Zukunft propagiert. Was halten Sie von dieser Euphorie? Traube: Da wird eine künftige Überflußenergie suggeriert, die ein viel wichtigeres und aus Umweltgründen akuteres Thema, nämlich die rationelle Energienutzung, noch mehr aus dem Blickfeld verdrängt. Gerade jedes Sonnenenergiesystem macht aber nur dann Sinn, wenn weniger Energie verbraucht wird. Warum nur dann? Schon allein aus ökonomischen Gründen. Es ist sehr viel billiger, den Energieverbrauch zu senken, als ihn auf alter Höhe mit der neuen Basis Sonnenenergie zu decken. Und der Solarwasserstoff wird auch langfristig eine der kostspieligsten Arten der Sonnenenergienutzung bleiben. Es wäre z.B. ökonomisch unsinnig, Sonnenenergie in der Sahara einzufangen, erst in Elektrizität und dann in Wasserstoff zu verwandeln, den in deutsche Häuser zu transportieren, um sie damit schließlich zu heizen. Sinnvoll ist, Häuser so zu bauen, daß infolge passiver Nutzung der Sonnenenergie kaum Heizenergie gebraucht wird. Und der verbleibende Energiebedarf? Niedertemperaturwärme läßt sich viel billiger mit Sonnenkollektoren erzeugen als auf dem Umweg über Wasserstoff. Und bei der Stromerzeugung mit Windkraftanlagen ist man bereits heute ziemlich nah an einer konkurrenzfähigen Nutzung. Allerdings wird auch eine zukünftige Energieversorgung einen zentralen Versorgungsteil brauchen. Und da ist der solare Wasserstoff in der Tat ein denkbarer Weg. Wäre es dann wünschenswert, einen Wasserstoffverbund mit der Sahara zu etablieren? Das hängt davon ab, was wünschenswert heißt. Das System müßte erstens überhaupt bezahlbar sein. Zweitens ist da der ökologische Aspekt, und danach ist Wasserstoff vertretbar. Und drittens muß man die politischen Folgen bedenken, wenn wir dann zwar nicht mehr „unseren“ Golf mit Kriegsschiffen verteidigen, stattdessen aber vielleicht „unsere“ Sahara, weil die Leute dort plötzlich ganz andere Vorstellungen entwickeln. Wie müßte denn eine vernünftige Energiepolitik aussehen? Wir brauchen ein intensives Engagement des Staates zur rationellen Nutzung von Energie und ein intensives Engagement zur Entwicklung und Markteinführung der vielfältigen Techniken zur Sonnenenergienutzung, von denen der solare Wasserstoff eine ist. Welchen Stellenwert hat da das bayerische Solar– Wasserstoff–Projekt? Das riecht natürlich nach Alibi. Aber trotzdem: In der Sonnenenergieforschung muß das Finanzvolumen insgesamt angehoben werden, und dabei kann auch dieses Projekt ein Baustein sein. Es hat auch Alibifunktion, wenn sich die Schleswag in Schleswig–Holstein jetzt mit 50 Prozent an einem Windenergiepark beteiligt, und es ist trotzdem gut, daß der gebaut wird. Interview: Andreas Wertz

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