: Mittelamerikas Friedenspolitik gerät ins Stocken
■ Das Außenministertreffen in Managua endete ohne klare Fortschritte / Die Sandinisten spekulieren auf die Krise der Contra: Schrumpft sie bald auf einen ungefährlichen Kern? / Contra läßt in Costa Rica 80 Gefangene frei - nur 20 wollen nach Nicaragua zurück
Aus Managua Ralf Leonhard
Ohne die entscheidenden Auslegungsfragen zu klären, aber mit dem Bekenntnis, den Friedensplan von Guatemala zu verwirklichen, trennten sich am Freitag die Außenminister der fünf mittelamerikanischen Länder nach zweitägigen Verhandlungen in Managua. Einer der wichtigsten Punkte, dessen Klärung einer technischen Kommission im Oktober überlassen wird, ist die Definition der Gleichzeitigkeit: nach dem Wortlaut des Abkommens vom 7. August müssen die fünf Staaten nach Ablauf von 90 Tagen ihre Auflagen erfüllen. Nur kann sich bisher keiner vorstellen, wie das technisch bewerkstelligt werde Opposition begonnen haben. Honduras muß den „irregulären Kräften, die den Sturz einer benachbarten Regierung betreiben“ die Unterstützung entziehen, daß heißt die Lager der Contra auf seinem Territorium schließen. Aufgabe der aus den fünf Außenministern bestehenden Exekutivkommission ist die Planung und Umsetzung der Bestimmungen des Abkommens. Zehn Tage vor Ablauf der 90tägigen Erfüllungsfrist wird die Kommission nochmals in San Jose (Costa Rica) zusammentreten. Die gleichzeitig tagende internationale Kommission zur Überwachung und Verifikation, der neben denselben fünf Ministern Abgesandte der Contadora–Gruppe (Mexiko, Venezuela, Kolumbien, Panama) und der Gruppe von Lima (Peru, Argentinien, Brasilien, Uruguay) sowie der UNO und der OAS angehören, hat hingegen festzustellen, ob die einzelnen Regierungen ihre Auflagen befriedigend und zeitgerecht erfüllen. Diesem Gremium ist es auch vorbehalten, vitale Fragen der Interpretation zu lösen. So herrscht zum Beispiel bisher keine Einigkeit darüber, ob sich Demokratisierung in freien Wahlen und Chancengleichheit der Parteien erschöpft, oder ob sich die Meinung der Regierung El Salvadors durchsetzt, die von Nicaragua die Auflösung der sandinistischen Massenorganisationen verlangt. Bisher sind die Sandinisten die einzigen, die Tempo vorlegen, um die anderen Vertragsparteien unter Zugzwang zu bringen. Sie haben bereits zentralamerikanische Söldner begnadigt, drei exilierten Geistlichen die Einreise erlaubt, den nationalen Dialog für den 5. Oktober festgesetzt und die baldige Aufhebung der Pressezensur in Aussicht gestellt. Während der honduranische Präsident Jose Az cona bestreitet, daß die Contra Basen in seinem Land unterhält, ließ sein Außenminister Carlos Lopez Contreras durchblicken, daß Honduras vor Ablauf der 90tägigen Frist keinesfalls gegen Reagans Schützlinge einzuschreiten bereit sei. Die Sandinisten spekulieren darauf, daß die Contra bis dahin von selbst auf einen ungefährlichen Kern zusammenschrumpft. Die Regierung hat einen der Grenzübergänge nach Honduras zu einem Empfangszentrum für reuige Contras umfunktioniert. Darüberhinaus sollen dort bisher nicht Rückkehrwillige unverbindlich mit ihren Familienangehörigen zusammentreffen dürfen. Derzeit stellen sich nach Angaben des Außenministeriums zwischen 20 und 30 Contras und Flüchtlinge pro Tag. Im Rahmen der Amnestie werden diese umgehend nach Hause geschickt. Contra läßt 80 Gefangene frei Penas Blancas/Nic. (wps/taz) - Die Contra hat am Freitag in Liberia (Costa Rica) 80 Gefangene freigelassen. Sie seien aus verschiedenen Gefängnissen, die die Contra in ihren Lagern auf honduranischem Boden unterhalte, zusammengebracht worden und dann vom honduranischen Luftwaffenstützpunkt Aguacate aus in einer Contra–eigenen DC–6 ausgeflogen worden, sagte einer der Freigelassenen. Von den 80 Ex– Gefangenen wollen nur 20 in ihre nicaraguanische Heimat zurückkehren, die übrigen 60 ziehen es vor, in Costa Rica zu bleiben. Der Contra–Führer Alfredo Cisar gab an, die Freigelassenen seien Angehörige der nicaraguanischen Armee oder Miliz, die im Kampf gefangengenommen worden seien. Doch nach Aussagen der Ex–Gefangenen wurde nur eine Minderheit von ihnen als Soldaten gefangengenommen. Die meisten waren offenbar von der Contra im Rahmen einer Zwangsrekrutierung als angebliche Agenten der Sandinisten verschleppt worden. Einige waren in Honduras, wo sie als emigrierte Kleinbauern ein Auskommen fanden, festgenommen worden. Es war das erste Mal, daß die Contra Gefangene freiließ. Bis zum Frühjahr 1985 machten die antisandinistischen Freischärler keine Gefangenen, sondern brachten festgenommene Soldaten, Milizionäre oder Bauern in der Regel einfach um. Keiner der freigelassenen Nicaraguaner beklagte sich über schlechte Behandlung. Einige drückten sogar ihr Verständnis für das Anliegen der Contra aus.
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