: Treffpunkt: US–Embassy in Managua
■ US–Minister ruft Nicaragua zum Aufstand auf und beruft sich dabei auf Jefferson, Franklin und Gott im Himmel
Aus Managua Ralf Leonhard
Man war unter sich. Die Creme der nicaraguanischen Rechtsopposition, der Chef des Privatunternehmerverbandes, ausgewählte Diplomaten und Journalisten. Padre Bismarck Carballo, der Sprecher der Bischofskonferenz, jüngst aus dem Exil in Washington zurückgekehrt, sprach den Segen. Oswaldo Mondragon, der Leiter des Priesterseminars, brachte gar einen Toast auf Präsident Reagan aus, der gerade wieder einmal den nicaraguanischen „Freiheitskämpfern, Contras genannt“, seine unerschütterliche Treue geschworen hatte. Anlaß für das launige Beisammensein im Protokollhaus der US–Botschaft in Managua: der Besuch von Reagans Unterrichtsminister William J. Bennett, der es für angebracht hielt, den 17. September, den 200. Jahrestag der Verfassung, ausgerechnet in Managua zu begehen. Wohl rein zufällig an demselben Tag, da die fünf Außenminister Zentralamerikas wenige Häuser weiter tagten, um den Fahrplan für die Umsetzung des regionalen Friedensplanes von Guatemala auszuhandeln. (siehe taz von gestern) „Ich bin heute hier, weil die Sicherheit und das Glück des nicaraguanischen Volkes den Bürgern der Vereinigten Staaten sehr am Herzen liegen, wenn wir den 200. Jahrestag unserer Verfassung feiern“, sprach Mr. Bennett und dehnte den Gültigkeitsbereich des altehrwürdigen Dokuments über den ganzen Erdball aus: „Die Verfassung der Vereinigten Staaten schuf Gerechtigkeit nicht nur für unsere Nation, sondern bot Hoffnung und Aussicht auf Freiheit für die gesamte Menschheit. Wie Millionen von Bürgern der USA vertraue auch ich darauf und bete dafür, daß die Freiheit, die wir genießen, auch bald eure sein wird.“ So war es denn nur konsequent, wenn Mr. Bennett die Nicaraguaner aufforderte, ihre Regierung, wenn diese gegen die Prinzipien Thomas Jeffersons und Benjamin Franklins verstoße, „zu ändern oder wegzufegen“. Bennett nützte seinen wenige Stunden währenden Aufenthalt im Lande Sandinos zu Gesprächen mit der Verlegerwitwe Violeta Chamorr Letztere wurden vor kurzem nach dreiwöchigem Polizeiarrest vorzeitig entlassen. So konnte der Unterrichtsminister aus Washington denn auch authentisch berichten, daß „das Volk von Nicaragua“ seine Regierung abschütteln wolle. Und mit einem kräftigen Seitenhieb gegen die Softies im Kongreß wandte er sich gegen „die Ideen, die in Moskau entworfen, über Havanna weitergeleitet, in Managua in die Praxis umgesetzt und in Washington von den demokratischen Abgeordneten verteidigt“ würden. Deswegen machte er nochmals deutlich: „Wir werden die Contras nicht im Stich lassen“. Einen Termin im Unternehmerverband COSEP mußte Mr. Bennett platzen lassen, da er es vermeiden wollte, sich mit einer Gruppe von Kriegsversehrten auseinanderzusetzen, die in ihren Rollstühlen vor dem Gebäude Aufstellung genommen hatten. Sie wollten dem hohen Besuch ihre Meinung über die Ebenbilder der ehrwürdigen Gründerväter - die Contras - mitteilen. Schließlich verstieg sich Mr. Bennett ins Transzendentale, als er bei einer Pressekonferenz im Auslandskorrespondentenklub gefragt wurde, welcher Artikel der Verfassung ihm das Recht gebe, sich derart in die Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen: „Gott hat mir das Recht gegeben“.
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