piwik no script img

Öko–Opposition gegen Weltbank: der Lobby–Weg

■ Amerikanische Umwelt–Organisationen kaufen Schuldscheine aus der Dritten Welt, um Naturschutz–Projekte durchzusetzen / Die US–Opposition setzt auf „internal lobbying“, den Weg der Einflußnahme im Innern der internationalen Organisationen

Washington (taz) - Noch heute ist man in der Szene der Umweltschutzgruppen in Washington begeistert, wenn die Sprache auf die Aktionen am Rande der Jahresversammlung von Währungsfonds und Weltbank 1986 kommt. Ein „voller Erfolg“ sei es gewesen, als man seinerzeit vom Dach der Weltbank das Transparent habe flattern lassen: „Die Weltbank zerstört Regenwälder“. Kein Zweifel, in den USA gelten andere Maßstäbe, was Großdemonstrationen gegen die verrufenen Organisationen angeht, wenn man etwa zum Vergleich die Proteste gegen den Weltwirtschaftsgipfel 1985 in Bonn heranzieht. „Die 350 Leutchen waren doch eine Massendemonstration für hiesige Verhältnisse“, bemerkt John Cavanagh dazu. Der Sprecher des US–amerikanischen Verschuldungs–Netzwerkes „Debt Crisis Network“ sagt dies zwar nicht ohne Selbstironie, aber er zeigt nicht den geringsten Anflug von Resignation. „Debt Crisis Network“ und viele andere US– Gruppen, die die beiden Währungsorganisationen vor allem wegen ihrer fatalen Eingriffe in die Umwelt der Schuldnerländer kritisieren, sind sich sicher, daß sie einen gehörigen Einfluß auf Weltbank und Fonds haben. Und sie glauben vor allem fest an deren Wandlungsfähigkeit. Von Fundamentalopposition, „Weg mit“– Parolen oder ähnlichem war dieser Tage in Washington nichts zu hören. Entsprechend cool geht man im Währungsfonds mit der Opposition um. Einlaßkontrollen zur Jahrestagung finden kaum statt. Das Transparent vom Dach der Weltbank zu entrollen, dürfte daher zu den leichteren Übungen zivilen Ungehorsams gehört haben. Es ist der Weg des „internal lobbying“, der internen Einflußnahme, den die amerikanischen Umweltgruppen wie Environ mental Defense Funds, Natural Resource Defense Council, Rainforest Action Network und rund achtzig andere gehen. Barbara Bramble von der National Wildlife Federation geht davon aus, daß die großangelegten Veränderungen in der Weltbank in den vergangenen sechs Monaten - Einrichtung einer Umweltabteilung und entsprechende Neueinstellungen von Experten sowie verstärkte wissenschaftliche Arbeit in Sachen Ökologie - „zu einem sehr großen Teil auf die Lobby– Arbeit und die Aktionen im vergangenen Herbst zurückzuführen sind.“ Und Lori Udall vom Environmental Defense Fund verweist gegenüber der taz selbstsicher auf eine Rede des neuen Weltbank– Präsidenten Barber Conable, in der er diesen Hintergrund der Weltbank–Reform bestätigt habe. Zwar laufen die Kontakte zwischen Oppositionsgruppen und Bank bzw. Fonds vor allem auf der inoffiziellen Schiene. „Wir haben einen Haufen Freunde und Mitglieder, die in der Weltbank arbeiten“, ist vom Debt Crisis Network zu hören. Aber auch bei offiziellen Kontakten gibt es wenig Berührungsängste. Während zum Beispiel 22 US–Umweltgruppen für die Jahrestagung der Besucherstatus zuerkannt wurde (über den US– Angehörige im Fonds entscheiden), wurde dem angereisten Vertreter Robin Woods aus der Bundesrepublik vom deutschen Abteilungsleiter Albert beschieden, er möge draußen bleiben, „um die Großveranstaltung in organisatorisch steuerbaren Grenzen zu halten“. Es wäre verfehlt, würde man die Umweltgruppen, wie es in der Bundesrepublik bisweilen geschieht, pauschal als links bezeichnen. Finanziert von Stiftungen wie der Ford–Foundation, von protestantischen Kirchen und den bisweilen ungeheuer zahlreichen Mitgliedern (die National Wildlife Federation erfreut sich einer halben Million Beitragszahler), weiß man Bevölkerungskreise hinter sich, die politisch nicht ohne weiteres in Schubladen einzuordnen sind, zumal nicht in linken. Triebkraft der geplanten Gegenveranstaltungen anläßlich der Weltwährungstagung wird denn auch nicht das Verlangen sein, die Ströme des großen Weltkapitals, gelenkt von Weltbank und Währungsfonds, aufzudecken und zu unterbinden. Ein Thema dominiert: Die drohende ökologische Katastrophe, insbesondere die Zerstörung der Regenwälder durch Projekte, die die Weltbank finanziert, um die Exportkraft der devisenhungrigen, verschuldeten Entwicklungsländer zu stärken. Man ist dabei offenbar guter Hoffnung, im kleinen Kreis sensible Ohren bei Vertretern etwa der betreffenden Regierungen in der Dritten Welt, aber auch der Weltbank selbst zu finden. Es ist kein Zufall, daß im Land des großen Geldes und unter einer von Pragmatismus strotzenden Stimmung eine ganz besondere Spielart, die Krise anzugehen, Furore macht: „Debt for Nature“. Potente Geldgeber, die sich zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen der Dritten Welt engagieren wollen, kaufen von den Gläubigerbanken zu Diskountpreisen angebotene Schuldscheine der Dritten Welt auf und erlassen den Schuldnerländern die Rückzahlung. Bedingung ist, daß diese die entsprechenden Summen in ökologische Projekte investieren. So geschehen im Juli, als die US–Umweltorganisation „Conservation International“ einen Vertrag zwischen der finanzkräftigen Weeden Foundation und der Regierung Boliviens vermittelte. Weeden kaufte über die New Yorker Citibank bei einer Schweizer Bank Forderungen an La Paz in Höhe von 650.000 Dollar für 100.000 Dollar und erließ die Schuld, während sich die bolivianische Regierung im Gegenzug verpflichtete, um einen bereits bestehenden Naturpark einen weiteren Gürtel zu errichten, der von extensiver forst– und Viehexportwirtschaft verschont werden sollte (siehe taz vom 29.7.). Inzwischen stehen weitere Projekte in Aussicht in Costa Rica, Ecuador und Brasilien. Die Aktion ist bei Mitgliedern anderer Umweltgruppen nicht unumstritten. Es ließ sich bei Conservation International nicht mit letzter Gewißheit feststellen, ob die Weeden–Stiftung formal noch Forderungen an Bolivien aufrechterhalten hat, mit denen die bolivianische Regierung „bei der Stange“ gehalten werden könnte, oder ob der Verzicht auf Rückzahlungen endgültig ist. ulkk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen