: Der Blick in den Spiegel macht Beamten Angst
■ Der Kölner Regierungspräsident will die Ausstellung „vom Amtsleben“ nicht in seinem Amtsgebäude haben / Auch andere Regierungspräsidenten sträuben sich vor dem Blick in das „Zerrbild“ deutschen Beamtenlebens / Innenminister: Es fehlt Humor
Aus Düsseldorf Walter Jakobs
„Ich komme zu dem Ergebnis, daß die Behörde des Kölner Regierungspräsidenten über weite Strecken lächerlich gemacht wird.“ Und nicht nur das. Auch „ein hervorragender Amtsvorgänger von mir (ist) in unangenehmer Weise lächerlich gemacht worden. Das geht zu weit“. Der Mann, der sich so bitter bei seinem obersten Dienstherrn und Genossen Herbert Schnoor beschwert, heißt Franz–Josef Antwerpes, Regierungspräsident zu Köln. Grund der Klage: Antwerpes hat in den Spiegel - eine Ausstellung mit dem Titel „Vom Amtsleben“ - geschaut, dort ein „Zerrbild“ seiner Behörde erblickt, das zu Gesicht zu bekommen er seinen Bediensteten ersparen will. Auf keinen Fall will er diese „einseitig den Regierungspräsidenten Köln durch den Kakao ziehende Ausstellung auch noch in meinem Dienstgebäude aufstellen lassen“. Der Brief, an den Innenminister Schnoor „persönlich“ gerichtet, endet mit dieser Aufforderung: „Versetzen Sie sich einmal in die Lage, statt des Regierungspräsidenten Köln wäre jeweils der Innenminister genannt.“ Der Addressat hatte für die „humorlose Reaktion“ wenig Verständnis. Schnoor, dessen Fortbildungsakademie in Attendorn die Ausstellung produziert hat, hält die damit versuchte Kenntlichmachung der Verwaltungskultur gar zugehörig zum „modernen Fortbildungskonzept“ für Beamte. Inzwischen scheint Antwerpes Unterstützung von seinen Kollegen in Arnsberg und Detmold zu erhalten. Im besten Bürokratenjargon teilt der Arnsberger Behördensprecher M. Makiolla der taz mit, daß „die Ausstellung aus organisatorischen Gründen nicht nach Arnsberg kommen wird“. Die immensen Kosten von ein paar hundert Mark seien „nicht aufbringbar, kein Etat“. Was aber, wenn es die Ausstellung umsonst gibt? „Damit haben wir uns noch nicht mit beschäftigt.“ Das sollte der RP in Arnsberg aber schnellstens tun, denn der Innenminister, so sein Sprecher, erwägt die Kostenübernahme. Auch der Detmolder RP weiß noch nichts Genaues. In der nächsten Woche soll entschieden werden, teilt der Sprecher M. Gemke mit. Es scheint, daß die Konferenz der RP–Sprecher, im Düsseldorfer Innenministerium vor Wochen eigens zur Abklärung der Modalitäten für die Ausstellungsübernahme einberufen, von den RPs zur konzertierten Verhinderungsaktion genutzt worden ist. Inzwischen sind andere Behörden eingesprungen. Landschaftsverbände, Fachhochschulen, Kreis– und Kommunalverwaltungen wollen zeigen, was viele Besucher amüsiert und die Regierungspräsidenten ärgert: die Stilblüten deutscher Bürokratie, gesammelt von 1947 bis 1960. So hat sich der Kölner RP 1951 entschlossen, „die Mittagspause in Wegfall zu bringen“ und drei Jahre später die „Aufmerksamkeit auf die Tatsache“ gelenkt, daß „jedes vorzeitige Verlassen des Dienstgebäudes unterbunden werden muß“. Für den Karneval wird 1953 in Köln „angeordnet, daß die in den straßenwärts gelegenen Zimmern beschäftigten Bediensteten, soweit sie am Rosenmontag im Dienstgebäude anwesend sind, in diesen Dienstzimmern anwesend bleiben und die Verantwortung und Aufsicht auch für diejenigen übernehmen, die sie entsprechend der Sichtmöglichkeit, die mit drei Personen je Fenster berechnet wird, aufnehmen müssen...“. Ein andermal ist „der Übelstand sofort abzustellen“, die „Blei– und namentlich Kopierstifte zum Fenster hinaus zu spitzen“, denn „der dabei anfallende Minenstaub“ verursache „im aufgelösten Zustande erhebliche Schäden“. Einblicke in die Verwaltungskultur, die, ginge es nach einem der Macher, dem Attendorner Professor Rolf Taubert, „zur geistigen Entbürokratisierung“ beitragen sollen. Thesen, die ursprünglich schon im September in Köln Thema einer Podiumsdiskussion hätten sein sollen. Doch die fand bis heute nicht statt. Nun soll der Streit bei einer Diskussion in der Gelsenkirchener Fachhochschule für Verwaltung ausgetragen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen