Gorbi malatus est

■ Letzte Version zur Begründung der zweimonatigen, nun beendeten Abwesenheit des großen Vorsitzenden / Außer Spekulationen nichts gewesen, meint der Redakteur

Berlin (taz) - Jetzt zeigt er sich wieder. Michail Gorbatschow ist nach zwei Monaten auf die politische Bühne zurückgekehrt, abgemagert zwar, doch durchaus noch vital. Das konnten am Dienstag die Mitglieder einer französischen Parlamentarier–delegation der Weltöffentlichkeit durchgeben. Was vorher alles über die „Entmachtung“, die „Krankheit“, die „politischen Widerstände“ spekuliert wurde, dürfte nun leider im Papierkorb landen. Was waren doch die letzten Tage für eine schöne Zeit. Selbst erholt aus dem Urlaub heimgekehrt, noch durch Glasnost und Perestroika verwirrt, konnten die westlichen Korrespondenten endlich mal wieder der früher liebgewonnenen Beschäftigung mit der Kremlastrologie frönen. War man in den letzten Monaten kaum mehr mit den Nachrichten über die Umgestaltung mitgekommen, konnte jeder nun so richtig mit den Kenntnissen der inneren Strukturen des (noch unheimlichen) Sowjetsystemes protzen. Mit der Bild–Zeitung fing alles an. Bild machte sich Sorgen um den Generalsekretär. Nun weiß ja schon jedes Kind, daß die Springer–Zeitungen über gute Kontakte zum KGB verfügen und oftmals schon den Interessen des sowjetischen Geheimdienstes dienten. Wollten geheime Gegner des Generalsekretärs mit der Meldung einen Keil in die Führung treiben? Um die Spekulationen über die wirklichen Gründe für Gorbatschows langen Urlaub endlich zu beenden, liefern wir hier, aus der Redaktion und nicht vor Ort, die allerletzte Version. Weil Raissa krank wurde und Gorbi auch noch ein Buch für einen amerikanischen Verlag schreiben mußte, alte Freunde besucht werden mußten und mal wieder ein Gläschen Wodka seine Wirkung tat, weil Gorbatschow sich unerkannt unters Volk mischte, um zu sehen, was das Volk so denkt, wie es fühlt und ihn selbst sieht, weil er also mit dem Bettelstab in der Gegend herumgestreunert ist, sich aber in den Weiten Rußlands verlaufen hat, konnte auch die Glasnostpresse nichts berichten. er