: Wer informierte Björn Engholm?
■ Dritte Sitzung des Kieler Untersuchungsausschusses zur Barschel–Affäre fördert neue Fragen zutage
Aus Kiel Petra Bornhöft
Der Zeitplan für die dritte Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Pfeiffer–Barschel–Affäre geriet gestern hoffnungslos durcheinander. Neu und unklar ist jetzt im wesentlichen die Frage, wer den SPD–Spitzenkandidaten Engholm im Sommer über die anonyme Steueranzeige gegen ihn informierte. Der Leiter des Lübecker Finanzamtes, Dr. Hans–Henning Förster (50), bestritt gestern vor dem Untersuchungsausschuß, daß diese Information aus seinem Amt kamen. Förster bestätigte, die anonyme Anzeige am 26. Januar erhalten und umgehend mit den Steuerakten abgeglichen zu haben. Ergebnis: „Die Vorwürfe waren haltlos, weitere Ermittlungen wurden nicht veranlaßt.“ Fortsetzung auf Seite 2 Weil der ganze Vorgang dem Amtsleiter „komisch vorkam“, legte er angeblich das Papier in seine Schublade. Nachdem der Beamte das Finanzministerium verständigt hatte, hielt er den Fall für erledigt. Auf Fragen von Ausschußmitgliedern konnte Förster nicht ausschließen, daß mehrere, bis heute nicht gefragte Personen den Vorgang mitbekamen und ihn weitererzählten. Eines der zahlreichen Gerüchte besagt, daß Frau Engholm auf dem Marktplatz erfahren habe, das „gesamte Lübecker Finanzamt weiß von der Geschichte“. Vehement verwahrte sich Vorsteher Förster gegen „brandmarkende Kritik“ am Lübecker Finanzamt. Doch die Zustände dort erscheinen merkwürdig. So fand man im Zusammenhang mit der Steuerschnüffelei einen Zettel, auf dem Name und Steuernummer Engholms vermerkt waren. Försters Erklärung: Ein Beamtenanwärter habe wohl „den Computer ausprobiert“. Der Lehrling wurde später im Finanzministerium befragt. Dort glaubte man an die Spielerversion. Förster wurde an die Steueranzeige erst wieder erinnert, als am 2. August Engholm ihn privat anrief und fragte, „ob ein Vorgang gegen ihn vorläge“. Er habe auch eine Kopie der Anzeige nebst Briefumschlag verlangt. Nach Rücksprache mit dem Finanzministerium bekam der SPD–Politi ker die Unterlagen. Nicht persönlich von Förster, denn der war wieder in Urlaub, wie schon mal im Januar. Ferien und Segelausflüge scheinen überhaupt alle an der Affäre Beteiligten extensiv zu nutzen. So waren sich gestern Beobachter der Ausschußdiskussion darüber einig, wie das häufigste Wort dort lautete: Urlaub. Staatssekretär Schleiffer aus dem Finanzministerium konnte erst gestern aussagen, weil er vorher seine „Urlaubsplanung realisieren“ mußte. Dem 45–jährigen schien es wenig bedeutsam, daß er zumindest offiziell als erster sich daran erinnerte, daß Barschel gelogen hatte. Der frühere Ministerpräsident hatte Schleiffer nach dessen Aussage bereits im Februar nach der Steueranzeige gefragt und deren Inhalt offenbar gekannt. Bis Redaktionsschluß hatte Björn Engholm gestern noch nicht vor dem Untersuchungsausschuß ausgesagt. Zunächst war also nicht bekannt, wer ihn informiert hatte. Die über Pfeiffers Aktivitäten unterrichteten SPD–Politiker schwiegen zu diesem Thema. Unterdessen gab der Genfer Anwalt der Familie Barschel bekannt, daß die Angehörigen auf eine zweite Obduktion verzichten. Gründe für diese Entscheidung nannte Anwalt Jean–Marie Revaz nicht. Er äußerte die Erwartung, daß die Leiche Barschels gegen Ende der Woche für die Überführung in die Bundesrepublik freigegeben wird. Der schriftliche Obduktionsbericht werde vermutlich erst Ende nächster Woche vorliegen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen