: Zwei Selbstmorde in der JVA Bochum
■ Gefesselter Häftling erhängte sich in Beruhigungszelle / Gefangenen–Initiative wirft der Anstaltsleitung rigide Auslegung des Strafvollzugsgesetzes vor / Kompetenzgerangel um psychisch Kranke
Von Corinna Kawaters
Die Tradition der Bochumer Justizvollzugsanstalt als „Selbstmordknast“ hat eine traurige Neuauflage erlebt. Nachdem sich seit 1977 zwölf Häftlinge in der „Krümmede“ das Leben genommen hatten (unter anderen tötete sich ein 14jähriger Untersuchungshäftling), haben sich innerhalb der vergangenen zehn Tage wiederum zwei Inhaftierte das Leben genommen. Die Erkenntnis, daß „die vornehmlich an Sicherheitsaspekten orientierte Auslegung des Strafvollzugsgesetzes durch die Bochumer Anstaltsleitung“ als ursächlich für die Selbsttötungen anzusehen ist, nahm die Bochumer Gefangenen–Initiative (GI) zum Anlaß, der Staatsanwaltschaft einen Fragenkatalog zum Hintergrund der jüngsten Todesfälle zu überreichen. Am 20.10. setze ein 19–jähriger Untersuchungshäftling seinem Leben in einer Gemeinschaftszelle ein Ende. Sieben Tage zuvor hatte sich ein 40–jähriger Strafhäftling in einer der „Beruhigungszellen“ (B–Zellen) getötet. Am Fall des T., der als „psychisch gestört und aggressiv“ galt und daher seit einer Woche gefesselt in der B–Zelle arretiert war, wird deutlich, „wie Kompetenz– und Zuständigkeitsgerangel über Isolation zum Tode führen kann“, so die GI in ihrer Pressemitteilung. T. hatte noch über fünf Jahre seiner sechsjährigen Strafe abzubüßen. Nach einem Selbstmordversuch sollte er psychiatrisch behandelt werden. Doch das Psychiatrische Zentrum in Bochum weigerte sich, T. zu behalten, nachdem er aggressiv aufgetreten war. T. wurde in der Krümmede gefesselt isoliert. Anstaltsleiter Berg bemühte sich, wie er der taz erklärte, T. „anderweitig umterzubringen“. Diese Bemühungen dauerten über eine Woche, in der sich der Häftling, der alle 15 Minuten durch einen Türspion beobachtet werden sollte, an den Handfesseln die Gelenke wundrieb. Doch statt dem Mann die Ketten abzunehmen, verpaßte ihm der Sanitätsdienst eine Mullbinde. Mit der erhängte sich der Verzweifelte. „Der Hintergrund dieser beiden Fälle ist ein in Fachkreisen berüchtigter Vollzug, geprägt durch die rigide Anwendung des Strafvollzugsgesetzes, das doch eigentlich Resozialisierung verspricht“, meint die GI. Sie möchte die Frage geklärt wissen, was mit Gefangenen geschieht, die während der Haft psychisch erkranken. Denn nach GI–Recherchen stehen für solche Häftlinge in ganz NRW lediglich 12 Betten in der JVA Köln zur Verfügung. Aufklärung verlangt die GI auch über die Frage, wie es in der extra gesicherten B–Zelle zu diesem Selbstmord kommen konnte.
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