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Keine Angaben, wenn es brenzlig wurde

■ Der große Auftritt des Ex–Medienreferenten Pfeiffer brachte keine neuen Enthüllungen / Von Petra Bornhöft

Der seit Tagen mit Spannung erwartete Auftritt des Kronzeugen Rainer Pfeiffer vor dem Untersuchungsausschuß des Kieler Landtages blieb ohne eigenen Knüller. Zwar erzählte Pfeiffer seine Version in anekdotischer Breite, doch Fragen des für den toten Barschel anwesenden Anwalts Samson mochte er nicht beantworten: keine Angaben für den „postmortalen Nebenkläger“. So bleiben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abzuwarten.

Der Pförtner des Kieler Landeshauses bewahrte Ruhe. Tagelang hatten Leute bei ihm telefonisch „Theaterkarten“ verlangt. Immer wieder lautete die Auskunft: „Un wenn ook de Pfeiffer kümmt, nTheodder heb wi hier ind Landeshus nich.“ Trotzdem - der erwartete Publikumsansturm blieb gestern aus. Die Journalisten stellten fest, daß die angekündigten Sicherheitsmaßnahmen, Taschen– und Ausweiskontrollen, nicht durchgeführt wurden. Bereits Stunden vor Pfeiffers Auftritt sicherte sich die Presse ihre Plätze. Und dann wälzt sich plötzlich eine Menschentraube in den „Ehrenwort–Saal“, wo Ministerpräsident Barschel Pfeiffers Enthüllungen eidesstattlich zurückgewiesen hatte. Umlagert von fotogeilen Reportern - Pfeiffer trägt den bekannten schwarz– grau–gestreiften Anzug - erhascht das Publikum keinen Blick. Nach genau fünf Minuten steigert sich die Aufregung: Pfeiffer verläßt den Saal. „Wars das etwa?“, murmelt eine der dreißig zugelassenen Zuschauerinnen. Das Rätsel löst sich gottseidank - der Mann ist in die Toilette entschwunden und kehrt wenig später zurück. Vor Beginn der Vernehmung amüsiert Prof. Erich Samson, Rechtsbeistand des Toten, den Saal mit der Forderung, „über die Person neben mir“ eine Geburtsurkunde und das Strafregister herbeizuschaffen, um die Identität seines Stuhlnachbarn festzustellen. Doch der Ausschußvorsitzende Klaus Klingner (SPD) erklärt dies für überflüssig: „Die Person mir gegenüber kenne ich als früheren Medienreferenten.“ Und dann beginnt die Story des von zwei Rechtsanwälten eskortierten Mannes. Ohne die Stimme zu heben oder zu senken, berichtet Pfeiffer davon, wie er zu seinem Schmieren–Job gekommen ist. Der Springer–Verlag hatte den Gedanken an ein Konkurrenzblatt zur Hamburger Morgenpost fallen gelassen und schlug dem Journalisten vor, für begrenzte Zeit zur schleswig–holsteinischen Landesregierung zu wechseln. Man arrangierte ein Vorstellungsgespräch mit Barschels Pressesprecher Behnke und wurde rasch handelseinig. „Ich sollte die Medien beobachten mit dem Aspekt der publizistischen und psycholo gischen Beratung“, umschreibt Pfeiffer zurückhaltend seinen Auftrag. Daß es um einen gezielten Wahlkampf für die CDU ging, räumte der Ex–Medienreferent später ein. Generallinie der Kriegsführung Barschel „konnte mich offensichtlich gut leiden“; man traf sich mehrmals im Dezember und sprach über „die Generallinie der psychologischen Kriegsführung“. Anfang Januar soll Barschel erfreut mitgeteilt haben: „Ich hab für Sie einen tollen Knüller. Der Engholm soll Steuern hinterzogen haben.“ Barschel wies seinen Untergebenen an, tätig zu werden. Der spurte. Staatskanzlei und Pressestelle halfen, die anonyme Steueranzeige gegen Engholm war das Ergebnis. Ende Februar - in diesem Teil seiner Ausführungen kommen Pfeiffers theatralische Qualitäten voll zum Durchbruch - klagte Barschel: „Herr Pfeiffer, Engholm hat alles bezahlt. Und dann sach ich: Aber Sie waren sich doch so sicher. Und dann sacht er: Tja, da kann man nichts machen. Lassen Sie sich mal was neues einfallen.“ In der nachfolgenden Befragung verschlägt es Pfeiffer dann doch öfters die Sprache. Häufig verweigert er die Aussage. Immerhin laufen mehrere Strafverfahren gegen ihn, und schon jetzt ist klar, daß die Talente des selbsternannten „Olympiakämpfers“ für die CDU auch im Bereich der Fälschung von eigenen Zeugnissen lagen. Sein Rechtsanwalt Hajo Wandschneider, der den Ausschußvorsitzenden in Verfahrensfragen zackig zu belehren trachtet, reagiert auf Prof. Samsons Frageanliegen unwirsch. Während die Kellnerin eine silberne Thermoskanne mit kaltem Wasser vor Pfeiffer abstellt, erklärt Wandschneider, sein Mandant werde auf die Fragen des Hochschulprofessors und „postmortalen Nebenklägers“ nicht antworten. Das irritiert Samson keineswegs. Er pocht auf sein Recht, Fragen stellen zu dürfen. Zwar schweigt Pfeiffer, doch die Ungereimtheiten seiner Angaben zu Lebenslauf und Barschel–Kontakten haben sich die Journalisten notiert. Das Publikum lacht und freut sich über den Fuchs. Längst ist die atemlose Stille einer vermeintlich lockeren Atmosphäre gewichen. In der Mittagspause tauchte indes eine ernsthafte Frage auf: sahen die ZuschauerInnen an diesem historischen Tag wirklich Herrn Reiner Pfeiffer? Es tauchte nämlich plötzlich ein drittes Pseudonym auf: Herr Lindemann. Angesichts dieser neuen Verwirrung erscheint es ratsam, doch eingehender die Identität des Mannes, der gestern seinen wohl größten Auftritt hatte, zu prüfen.

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