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Vatikan im Börsenstrudel - Pecunia non olet

■ Der Heilige Stuhl hat die Bilanz für 1986 und Perspektiven für 1987 vorgelegt / Wieder viel Geheimniskrämerei / Finanzierungsbedarf seit Mönch Tetzel nicht verringert

Aus Rom Werner Raith

Vom lieben Gott ist derzeit wenig die Rede in den Heiligen Hallen von Sankt Peter, dafür aber umso mehr von seinem weltlichen Kollegen, dem Gott des Geldes - und sogar ganz offiziell und lateinisch: „iniquitas Mammonis“, wie das Papst–Sprecher Joaquim Navarra und Papst–Außenminister Kardinal Casaroli fein umschreiben. Natürlich ist er nicht erst heute in die frommen Seelen der Kurie hineingeraten, der Mammon, und eigentlich sollte er auch nur für einen Tag so recht sichtbar werden - als es galt, den Gläubigen in aller Welt klarzumachen, daß sie zwar dieses Jahr nach langer Abstinenz wieder mehr gegeben haben und sich so auf dem rechten Weg befinden, daß aber die Anstrengungen mindestens verdoppelt, wenn nicht gar verdreifacht werden müssen, um dem Papst vermittels der alljährlichen „Peterspfennig“–Sammlung seine aufwendige Hofhaltung (“Regierung“) auch standesgemäß zu ermöglichen. Doch mit dem einen Tag alleine wurde es nichts. Zwar legten die Papst–Kämmerer die roten Zahlen des Haushalts in den üblichen dürren und wenig aufschlußreichen Daten vor (Ausgaben - Einnahmen - Defizit), zeigten sich auch zufrieden mit den „konsolidierten“ Ausgaben (umgerechnet ca. 210 Millionen DM) und den gestiegenen Einnahmen (ca. 100 Millionen) und wiesen wie üblich mit betrübtem Gesicht darauf hin, daß man für den Rest habe „auf Ressourcen“ zurückgreifen müssen, über die sie aber auch diesmal nichts Genaueres sagten, außer, daß sie „bald, sehr bald zu Ende gehen werden“. All das war schon seit Wochen vorbereitet worden - doch da wußte man noch nichts vom heraufziehenden Börsenkrach. Und der ist nun direkt für die penetrante Anwesenheit der „iniquitas Mammonis“ verantwortlich. Erstmals könnten tatsächlich gewisse Ressourcen spärlicheren Gewinn als bisher abwerfen - Aktien und Wertpapiere. Vom Börsenkrach nämlich ist nun auch direkt jenes Institut betroffenen, das unter dem Namen „Instituto per le opere di religione“ (IOR) fromm die Vati kanbank umschreibt und mit Erzbischof Marcinkus an der Spitze bereits allerlei Skandale ausgelöst hat. Das IOR haben die Vatikan– Schatzhüter seit eh und je als eigenständige Körperschaft innerhalb des Vatikan völlig aus der (seit 1985 erstmals) veröffentlichten Staatsbilanz herausgehalten: In schlechten Jahren sollten die Gläubigen nicht unnötig wegen der dortigen Mißwirtschaft beunruhigt, in guten Jahren durch Be kanntgabe von Profiten nicht vom Spenden abgehalten werden. So beunruhigt der Börsenkrach die päpstlichen Geldwärter tiefer als alle Glaubensstreitigkeiten zusammen - so sehr, daß sie gegen alle Gewohnheit ihre Ängste laut hinausposaunen. Damit ist zwar noch nicht allzuviel Klarheit gewonnen (die meisten Kurialen wissen selbst nicht, wieviel Vermögen ihre Firma besitzt), doch so einige Hochrechnungen machen nun auch die Kardinäle in ihrer Existenzangst auf. Der Aktien– und Wertpapierbesitz des Heiligen Stuhls, angenommen zwischen sechs und zehn Milliarden Dollar, mag beim Krach um eine bis zwei Milliarden geschrumpft sein; auch der Profitabwurf der großen Liegenschaften (Grundbesitz und Immobilien, noch vor drei Jahren auf ca. 30–50 Milliarden Dollar geschätzt) ist aufgrund z.B. des Zusammenbruchs einiger Diktaturen zurückgegangen. Aufstrebend lediglich der Wert des Goldes - das bearbeitete in Form kultischer und antiquarischer Kunstobjekte wie das unbearbeitete, auf dessen Spekulationswert der Vatikan nach Wissen von Börsenmaklern seit einigen Jahren weitgehend vertraut. „Pleite sind die noch lange nicht“, bemerkt der Vatikanologe Giancarlo Zizola, „die können ihre Defizite bequem aus der Portokasse ausgleichen.“ Doch vielleicht muß die Kurie gar nicht an die Portogelder - just seit der Börsenkaterstimmung sind Gerüchte nicht mehr zu überhören, wonach es „vielleicht doch bald trotz alledem Licht am Ende des Tunnels geben könne“: Gemeint ist die Rückkehr des französischen Dissidenten–Erzbischofs Lefebvre in die Arme der römischen Kirche. Lefebvre wird, nach Jahren des drohenden Kirchenausschlusses und ohne daß er auch nur ein Jota von seiner ultrakonservativen Einstellung abrücken mußte, selbst von der sonst so strengen Glaubenskommission des Kardinals Ratzinger geradezu umworben. Kein Wunder, der französische Oberreaktionär verfügt über Entscheidungshilfen, die z.B. seinen ständig gemaßregelten christlichen Brüdern von der lateinamerikanischen Befreiungstheologie völlig abgehen - enorm viel Geld. Denn in den Jahren seiner Abspaltung hat er zwar fleißig gesammelt, aber nichts nach Rom überwiesen - „und jetzt“, so kommentiert Giancarlo Zizola, „könnte sein Scherflein gerade ausreichen, dem Papst die Löcher in der Bilanz nachhaltig zu stopfen.“ Wenn das kein Argument ist.

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