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Milde Strafe für Vergewaltigung in der Ehe

■ Justizminister Engelhard (FDP) legte einen Gesetzes–Entwurf zur ehelichen Vergewaltigung vor / Diskriminierende Differenzierung wird vermieden, Strafmaß jedoch gesenkt / Vom Antragsdelikt zum Offizialdelikt - allerdings mit Einschränkungen

Aus Bonn Ursel Sieber

Bis auf den heutigen Tag wird Vergewaltigung nur dann als Vergewaltigung bestraft, wenn sie außerhalb der Ehe begangen wird. Ehefrauen können Vergewaltigungen durch ihre Männer nur als Nötigung und Körperverletzung anzeigen. Die Frauenbewegung, die SPD und die Grünen drängen seit Jahren darauf, diesen Mißstand zu beseitigen; während die Union und die Liberalen um das Thema eheliche Vergewaltigung immer einen großen Bogen gemacht haben. Erstmals versucht nun ein FDP– Justizminister, dieser Kritik Rechnung zu tragen. Auch an einem anderen Punkt kommt Engelhard der Kritik von Feministinnen entgegen: Er beseitigt die ungerechtfertigte Trennung zwischen vaginaler, oraler und analer Penetration, die in der heutigen Rechtslage gilt: Nur die vaginale Penetration gilt als Vergewaltigung (&177 Strafgesetzbuch); der erzwungene Anal– oder Oralverkehr dagegen als sexuelle Nötigung (&178 StGb). Beide Tatbestände faßt Engelhard nun in einem einzigen Paragraphen zusammen. Der „Preis“ ist allerdings, daß die Mindeststrafe für Vergewaltigung systematisch auf das heutige Strafmaß für sexuelle Nötigung gesenkt wird: Statt der zweijährigen Mindeststrafe gilt jetzt ein Jahr; in „minder schweren Fällen“ sogar nur drei Monate. Daß der Passus der „minder schweren Fälle“ von Vergewaltigung im neuen Gesetz–Entwurf geblieben ist, erscheint besonders problematisch, da dadurch die Mindeststrafe unterlaufen wird: Die Rechtssprechung nahm eine frühere Liebesbeziehung oder eine Kneipenbekanntschaft zum Anlaß, die Tat als minder schwer einzustufen. Wird die Vergewaltigung „gemeinschaftlich“ begangen, die Frau „körperlich schwer mißhandelt“ oder „besonders erniedrigt“, soll das allerdings als „besonders schwer“ definiert werden: In diesen Fällen soll es auch bei einer Mindeststrafe von zwei Jahren bleiben. Der Begriff von Vergewaltigung wird im Engelhard–Ministerium nicht weiter gefaßt: Es bleibt bei der Formulierung „mit Gewalt oder durch Drohung mit gegen wärtiger Gefahr für Leib und Leben“, die Frauen zwingt, Gegenwehr nachzuweisen und möglichst sichtbare körperliche Verletzungen davonzutragen. Die mit Sexualdelikten befaßten Polizeibehörden raten eher von Gegenwehr ab. Frühere Überlegungen im Engelhard–Ministerium liefen darauf hinaus, daß im Falle der ehelichen Vergewaltigung der Staatsanwalt nur auf Antrag der Ehefrau aktiv werden soll. (Antragsdelikt). Vergewaltigung in der Ehe hätte man dann nur als ein Vergehen bewerten können. Vergewaltigungen außerhalb der Ehe gelten dagegen als Verbrechen und werden von Amts wegen verfolgt. (Offizialdelikt). Das Justiz–Ministerium spricht jetzt nicht mehr von einem Antragsdelikt, sondern will die eheliche Vergewaltigung „grundsätzlich“ als Offizialdelikt anlegen. In der Praxis wird es allerdings doch auf ein Antragsdelikt hinauslaufen, da die vergewaltigte Ehefrau während des Verfahrens ein Veto–Recht haben soll: „Ist...das Opfer der Ehegatte des Täters“, so heißt es wörtlich, „so kann die Tat nicht verfolgt werden, wenn das Opfer widerspricht. Der Widerspruch kann bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens erklärt werden; er kann nicht zurückgenommen werden“. Diese Klausel ist einmalig im Strafgesetzbuch: Nirgendwo sonst hat das Opfer die Möglichkeit, ein von Amts wegen eingeleitetes Strafverfahren mit Widerspruch außer Kraft zu setzen. Auch die SPD kommt den Forderungen der Frauenbewegung in ihrem Gesetzesentwurf nur teilweise entgegen: Sie hat das Wörtchen „außerehelich“ zwar gestrichen, aber sonst nichts verbessert: Es ist weiterhin möglich, Vergewaltigungen als „minder schwer“ einzustufen. Die SPD beläßt es ebenfalls bei der Formulierung „mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben“. Und der Entwurf unterscheidet weiterhin zwischen vaginaler, oraler und analer Penetration. Immerhin möchte die SPD bei der zweijährigen Mindeststrafe bleiben. Eheliche und außereheliche Vergewaltigung sollen gleichermaßen als Offizialdelikt behandelt werden: An diesem Punkt ist die SPD konsequenter als das Justizministerium. Allerdings soll ein neuer Absatz hinzukommen: der dem Staatsanwalt die Möglichkeit bietet, den Mann nicht zu bestrafen, wenn dies „im Interesse der Aufrechterhaltung der Bindungen zwischen der Frau und dem Täter geboten ist“. So möchte die SPD erreichen, daß im Falle einer „Versöhnung der Ehegatten von einer strafrechtlichen Sanktion und damit einer weiteren Belastung der Ehe abgesehen beziehungsweise die Strafe gemildert werden kann“. Aber mit dieser Möglichkeit zur Strafminderung ist die Gefahr groß, daß die Frau im Laufe des Verfahrens in immer größeren Druck gerät, die Tat zu verzeihen. Die grüne Fraktion in Bonn hat am Dienstag entschieden, daß die Mindeststrafe für Vergewaltigung auf ein Jahr herabgesetzt werden soll. Den Ausschlag gab, daß eine einjährige Freiheitsstrafe auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Das Antidiskriminierungsgesetz, das die letzte Fraktion nach einer langen Diskussion in der Partei als ihr Gesetz akzeptiert hatte, wollte eine Mindeststrafe von zwei Jahren. Dieses Strafmaß für Vergewaltiger war bei den Grünen immer ein strittiger Punkt zwischen den Feministinnen und den Abgeordneten, die das grüne Ziel einer Entkriminalisierung herausstellen: Waltraud Schoppe vom realpolitischen Flügel sagte, sie sei für das Strafmaß von einen Jahr, „weil das der Lebenswirklichkeit von Frauen mehr entspricht, wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann“. Ohnehin könne man dem Problem der Vergewaltigung in der Ehe nicht mit Strafen beikommen. Verena Krieger, die zum ökosozialistischen Flügel zählt, sagte dagegen, eine Mindeststrafe von einem Jahr könne bedeuten, daß die Frauen „wieder unter starken moralischen Druck“ geraten.

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