: Großes Kieler Ehrenwort, immer kleiner
■ Barschel–Aussagen über angebliche Telefonate widerlegt / Vor dem Kieler Untersuchungsausschuß muß sich Ex–Pressesprecher Behnke Verfassungsbruch vorwerfen lassen / Für ihn hat die Regierung wenige Grenzen
Aus Kiel Jörg Feldner
Die imposante Serie der Kieler Ehrenworte vom früheren CDU– Regierungschef Barschel bröckelt immer weiter ab. Die Lübecker Staatsanwaltschaft bestätigte am Mittwoch, daß am Abend des 8. September vom Autotelefon des Ministerpräsidenten kein Gespräch mit Barschels Wohnung in Mölln geführt worden ist. Dies haben Ermittlungen der Bundespost ergeben. Barschel hatte dagegen stets behauptet, an diesem Abend aus dem Dienstwagen mit seiner Frau telefoniert zu haben. Der 8. September spielt in der Affäre Barschel/Pfeiffer eine besondere Rolle: An diesem Tag hatte Barschel nach Angaben des früheren Medienreferenten Pfeiffer dreimal mit ihm wegen der Beschaffung eines Mini–Abhörgeräts gesprochen. Barschel hatte dazu in seiner „Ehrenwort“–Pressekonferenz am 18. September in Kiel an Eides Statt erklärt, diese Behauptung Pfeiffers sei „unwahr“. Als „Korrekturlesen im Sinne des Durchlesens“ beschrieb gestern Ex–Regierungssprecher Behnke vor dem Kieler Untersuchungsausschuß seine Mitarbeit an mehreren Nummern der CDU– Wahlkampfzeitung. Gefragt, was er von dieser Verquickung von staatlichen und Parteiaufgaben halte, meinte der 47jährige Frühpensionär: „Es ist doch nicht so, daß die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung irgendwo zum Stoppen kommt.“ Da war der Ausschuß platt. Erst schnell, dann nochmals langsam für Behnke verlas SPD–Obmann Gert Börnsen Auszüge aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1977 (Az 2 BvE 1/76), wonach Staaatsorgane Verfassungsbruch begehen, wenn sie sich „im Hinblick auf Wahlen mit Parteien identifizieren .., sie unter Einsatz staatlicher Mittel unterstützen oder bekämpfen .., durch Werbung die Entscheidung des Wählers zu beeinflussen.“ Behnke kannte das Urteil. Man habe es mehrfach in der Pressestelle erörtert, im Zusammenhang mit Broschüren der Landesregierung. Aber einen Verfassungsbruch, nein, den könne er in seinem und Pfeiffers Arbeit für das CDU–Blatt nicht erkennen. Da widersprach ihm sogar der bisher nicht übertrieben empfindliche CDU–Abgeordnete Buhmann. Wenn Barschel eine Broschüre für wirklich wichtig hielt, wurde sie sowieso an der Pressestelle vorbei publiziert. So wie das von Regierungsdirektor Jürgen Lambrecht in der Staatskanzlei zusammengeschmierte CDU–Heft „Betr. Engholm“, das der SPD im Stile des ZDF–Magazins auf 44 Seiten wahrheitswidrig unterstellt, sie habe ihre politischen Ziele bei den Grünen abgeschrieben. Von dieser unappetitlichen Broschüre erfuhr Behnke erst, als sie fertig gedruckt war. Nach einem Bericht des stern war der umstrittene Agent Werner Mauss zeitgleich mit Barschel in Genf. Am Wochenende 10./11. Oktober, an dem der frühere Ministerpräsident im Genfer Hotel „Beau Rivage“ unter noch nicht restlos geklärten Umständen starb, stieg Mauss im benachbarten Hotel „Le Richemond“ ab. Barschel hatte Aufzeichnungen hinterlassen, aus denen hervorging, daß er sich in Genf mit einem unbekannten Informanten treffen wollte, von dem er sich Entlastung verspreche.
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