: Wasser für Pretorias Mühlen
■ Durch ein Stauseeprojekt wird das Königreich Lesotho zum Wasserspeicher Südafrikas / Von den Nöten einer Enklave im Land der Apartheid
Aus Lesotho Uli Post
Die Straßen des kleinen, rundum von Südafrika umgebenen Königreiches Lesotho ruinieren nach kurzer Zeit jedes Auto. Harter Basaltstein macht den Straßenbau auf dem „Dach Afrikas“, wie das Land von der Größe Nordrhein– Westfalens wegen seiner Höhenlage genannt wird, zu einem mühseligen Unterfangen. Gebrochene Federn und zerbeulte Unterböden zählen zu den häufigsten, wenn auch zu den harmloseren Beschädigungen. Autowracks in Schluchten oder an den Straßenrändern sind ein zuverlässiges Indiz dafür, daß nicht jeder Fahrer seine Fahrweise an die schlechten Bedingungen anpaßt. Auch Mahelebone Masoati war der schlechte Zustand der zu ihrem Dorf führenden Straße schon lange ein Dorn im Auge. Am Geburtstag von König Moshoeshoe II. - in Lesotho ein öffentlicher Feiertag - nahm sie dann gemeinsam mit anderen Einwohnerinnen Ha Matsoanas entschlossen Schaufel und Hacke zur Hand, um ihren Beitrag zur Verbesserung der Straße zu leisten. „Das ist unser Geschenk an den König“, sagt Mahelebone, und die anderen nicken zustimmend. Im Herzen der Apartheid Der heute 43jährige Monarch ist ein Nachfahre des Staatsgründers und Nationalhelden Moshoeshoe I., der Ende des 19. Jahrhunderts bei Großbritannien um Schutz gegen die schon damals ständig eindringenden Buren nachsuchte und ihn auch erhielt. Die koloniale Protektion - und damit die politische Unabhängigkeit - wurde allerdings mit dem Verlust großer Gebiete, darunter den Weizengebieten des Landes, bezahlt. Die Regentschaft Moshoeshoe II. begann 1960 und war von der Unabhängigkeit (1966) bis 1985 von ständigen Konflikten mit dem damaligen Premierminister Leabua Jonathan begleitet. Jonathan, der sich mitunter wie der Präsident einer blockfreien Großmacht aufführte, nahm Mitte der siebziger Jahre diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik China, zur Sowjetunion und zu Nordkorea auf. Geflüchtete Mitglieder des in Südafrika verbotenen Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) fanden in Lesotho Unterschlupf. ies ging der Regierung in Pretoria denn doch zu weit: Anfang 1986 verhängte sie eine Grenzblockade gegen die widerspenstige Enklave, die das Land, besser: den kaufkräftigen Teil seiner etwa 1,3 Millionen Einwohner, in eine ernste Versorgungskrise stürzte. Benzin, Lebensmittel und Medikamente wurden knapp. Als die Unzufriedenheit mit Jonathan immer mehr wuchs, putschte das Militär. Ökonomische Geisel Seit dem Putsch wurde Lesotho noch enger an den übermächtigen Nachbarn angebunden. Alle Staaten des südlichen Afrika sind in hohem Maße vom Apartheidstaat abhängig, doch Lesothos Situation läßt sich am ehesten noch mit dem Begriff „Wirtschaftsgeisel“ beschreiben. Die wenigen Industriebetriebe sind weitgehend in südafrikanischer Hand. Eine Zollunion erleichtert der vergleichsweise hochentwickelten Wirtschaft der Kaprepublik, ungehindert von Zöllen und anderen Schutzmaßnahmen auf den Markt in Lesotho zu exportieren. Hauptexportgüter Lesothos sind Arbeitskraft und Wasser. Rund 120.000 Basothos arbeiten in Kohlebergwerken oder Goldminen Südafrikas, 40.000 bis 50.000 weitere in Fabriken, Farmen oder Privathaushalten. Das sind etwa die Hälfte der arbeitsfä higen Männer des Landes. Dieser Arbeitskräfteexport macht Lesotho zu einem geradezu idealen Homeland nach Pretorias Geschmack. Das Königreich ist international anerkannt, liefert billige Arbeitskräfte, trägt dessen soziale Kosten und ist dazu noch Absatzgebiet für die südafrikanische Wirtschaft. Wasser aus den Bergen Dem Export der Arbeitskräfte soll bald ein anderes Gut folgen, das - wenn man den offiziellen Verlautbarungen Glauben schenkt - die Abhängigkeit Lesothos vom Nachbarn spürbar senken soll: Wasser. Im Oktober 1986 unterzeichneten die beiden Staaten ein Abkommen, das ein Verbundnetz von sechs Stauseen im wasserreichen Hochland von Lesotho vorsieht. Es soll einerseits die Wasserversorgung des industriellen Ballungsraums um Johannesburg langfristig sicherstellen, an zeichnung des Vertragswerkes konnte der südafrikanische Außenminister Roelof „Pik“ Botha seine Genugtuung auch kaum verbergen: „Das Projekt wird Wasser nach Südafrika und Entwicklung für Lesotho bringen. Wir erleben gemeinsam die Verwirklichung eines Traumes, den unsere Völker schon lange gehegt haben.“ Nach 30 Jahren politischen Tauziehens bedurfte es erst der Installierung einer Militärregierung in Lesotho, bis das nach heutigen Preisen über fünf Milliarden Rand (ein Rand = 0,92 Mark) teure Projekt unter Dach und Fach war. Die Nutzbarmachung des lesothischen Wassers für Südafrika soll bis zum Jahre 2020 durchgeführt werden. Bis dahin sollen sechs Dämme, über 250 Kilometer Tunnel und mehr als 480 Kilometer Straße gebaut sein. Dann werden die von den Quellflüssen des Oranje gespeisten Stauseen über 30 Milliarden Kubikmeter Wasser enthalten. Weltbank pumpt mit Die Kosten für die erste Phase des größten Wasserlieferungsprojektes der Welt, die bis 1995 abgeschlossen sein soll, werden auf rund 1,4 Milliarden Rand geschätzt, von denen Lesotho etwa 1,2 Milliarden zu tragen hat. Diese Summe soll durch Entwicklungshilfekredite zusammengetragen werden, die ein Konsortium von Entwicklungsagenturen (auch deutsche) unter Führung der Weltbank zur Verfügung stellen will. Südafrika garantiert die Kredite und will über Rückzahlungen auch Zinsen und Kapital bedienen. Insgesamt übernimmt Pretoria „alle Kosten, die mit dem Transport des Wassers zusammenhängen“, versichert Eric Cole, Cheftechniker des lesothischen Projektträgers. Lesotho erhofft sich durch das Projekt ab 1995 jährliche Einnahmen von 120 Millionen Rand, das entspricht etwa dem gesamten heutigen Staatshaushalt. 50 Jahre lang gehen davon zwar noch 50 Prozent zur Schuldentilgung ab, doch man nimmt in Lesotho angesichts der verbleibenden immer noch gewaltigen Summe Einwände nicht so ernst. Natürlich werde eine Menge Ackerland überschwemmt, sagt Eric Cole, „ich garantiere aber, daß der Lebensstandard nicht sinkt“. Natürlich müssen mindestens 1.500 Menschen umgesiedelt werden, aber - so Cole - „das ist sehr wenig, verglichen mit den anderen Dammbauten in Afrika.“ Die ökologischen Folgen - von anderen Dammbauten in Afrika hinlänglich bekannt, hält man in der LHDA für wenig dramatisch. Souveränität gefährdet Die Frage, ob Lesotho durch das Projekt noch abhängiger von Südafrika werde, oder ob es eine gegenseitige Abhängigkeit schaffe, wird von Cole im Sinne der zweiten Möglichkeit beantwortet. Andere sind in ihrem Urteil zurückhaltender. „Erst einmal müssen wir die Verträge sehen, ehe wir dazu etwas sagen,“ meinte der Generalsekretär des Nationalen Christenrates. Er befürchtet, daß die eigene Regierung nicht ausreichend auf ein solches, das ganze Land verändernde Mammutprojekt vorbereitet ist. Andere glauben, daß Südafrika niemals den Sicherheitskräften des Königreiches allein die Bewachung der Wasserleitungen überlassen werde. Der Vertrag sieht nämlich gemeinsame Aktionen im Falle „höherer Gewalt“ vor, und die ist definiert u.a. als bewaffneter Aufruhr, staatliche Gewaltanwendung und Sabotageakte. So wird neben erhöhten Staatseinnahmen auch eine weitere Einschränkung der staatlichen Souveränität Lesothos zu den Folgen des Highland Water Scheme gehören. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden bei dem kapitalintensiven Projekt nicht sonderlich groß sein. Man rechnet bestenfalls mit 4.000 - zum Teil zeitweiligen - Arbeitsplätezn, vorwiegend für den Straßenbau; Lesotho wird also weiterhin auf Wanderarbeit angewiesen sein. Zusätzliche Einnahmen aus dem Projekt erhofft sich die lesothische Regierung durch eine Ankurbelung von Landwirtschaft (durch neue Bewässerungsmöglichkeiten) und Tourismus. „Aber“, meint ein Kritiker, „selbst wenn die bisher dubiose Finanzierung des Projekts über Weltbankkredite und spätere Wasser– und Stromverkäufe zunächst funktionieren sollte, wenn es zu einem Machtwechsel in Südafrika kommt, wird dort der Wirtschaftsraum Johannesburg vermutlich zusammenbrechen, und dann braucht man dort kein Wasser aus Lesotho mehr.“ Die Abschaffung der Apartheid in Südafrika wäre der Ruin Lesothos, weil das Land die aus dem Projekt entstandenen Schulden nicht mehr zurückzahlen könnte.
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