: „Zeit des Verbotsirrtums ist vorbei“
■ Nach dem ALKEM–Urteil fordern Grüne die hessische Landesregierung zur umgehenden Stillegung der Hanauer Nuklearbetriebe auf / Umweltminister Weimar will das Urteil prüfen lassen
Von Klaus–Peter Klingelschmitt
Wiesbaden (taz) - Die sofortige Stillegung aller Hanauer Atombetriebe, die auf der Basis von Vorabgenehmigungen arbeiten, haben gestern die Grünen im hessischen Landtag gefordert. Joschka Fischer erklärte vor der Presse, nach dem ALKEM–Urteil des Hanauer Landgerichts, das die Vorabzustimmungen generell als „rechtswidrig“ einstufte, sei die Zeit des Verbotsirrtums endgültig vorbei. Der für die Aufsicht und Geneh migung von atomaren Anlagen in Hessen zuständige Umwelt– und Reaktorsicherheitsminister Karlheinz Weimar (CDU) wies die Forderungen der Grünen postwendend zurück. Stillegungsforderungen, so Weimar, seien „nach diesem Urteil nicht angebracht“. Allerdings sei es für eine abschließende Stellungnahme zum Thema noch zu früh, weil bisher lediglich die mündliche Urteilsbegründung vorliege. Weimar: „Wir müssen erst einmal die schriftliche Begründung abwarten, bevor irgendwelche Ent scheidungen getroffen werden können.“ Zugleich kündigte Weimar an, daß er sich auch mit dem Bundesministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit über die von dem Urteil „aufgeworfenen Rechtsfragen“ verständigen werde. Für den Fall, daß die hessische Landesregierung und die Bundesregierung das ALKEM–Urteil tatsächlich „ignorieren“ sollten, kündigten die Grünen im hessischen Landtag an, sie wollten alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten prüfen, mit denen die Regierungen zur Einhaltung geltenden Rechts gezwungen werden könne. Wenn in Hanau nicht stillgelegt werde, sei die Schwelle der Strafbarkeit endgültig und böswillig überschritten. Erneut brachte Joschka Fischer die Forderung nach Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zu den Hanauer Skandalfirmen ins Gespräch, damit ein „politischer Säuberungsprozeß“ stattfinden könne. Ein Sprecher der Hanauer Bürgerinitiative Umweltschutz (IUH) und der Bürgerinitiative Aschaffenburg/Untermain erklärte gegenüber der taz, daß sich die Atomkraftgegner durch das Urteil „voll bestätigt“ sähen. Der Umweltminister sei von einem unabhängigen Gericht in Zugzwang gebracht worden. Er müsse jetzt umgehend handeln.
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