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N O C O M M E N T Maßloser Appell

■ Stoltenbergsche Versuche als Gewerkschaftspolitiker

Knapp dem Kieler Sumpf entronnen, steht Stoltenberg das Wasser wieder bis zum Hals. „Knauser!“, „Sparstrumpffetischist!“, ruft es in allen Leitartikeln der freien, aber krisengeschüttelten Welt. Unser Finanzminister ist der Buhmann. Ausgerechnet das Land mit dem Rekordplus in der Handelsbilanz sei zu knickrig, seinen Konsum zu steigern, um sich so der marschierenden Weltrezession in den Weg zu werfen. Solchermaßen bedrängt, greift Stoltenberg nach jedem Strohhalm, nur nicht in sein pralles Steuersäcklein. Jetzt appelliert er sogar an die Gewerkschaften: „Praßt, Freunde!“, lautet seine Botschaft. Der Staat will nicht mehr konsumieren, nun muß der deutsche Arbeiter ran an die Buletten. Mehr Freizeit wollt ihr? Arbeitszeitverkürzung? Nix da! Kauft und schlemmt, was die Lohntüte hergibt, malocht und schuftet, bis die Knochen krachen: Das Leben ist doch viel zu kurz, um Müßiggang und freie Zeit noch zu verlängern. Aus dem Ministerium, aus dem bisher in regelmäßigen Abständen „Maßhalteappelle“ zu hören waren, tönt es nun anders. Die Askese ist vorbei, jetzt ist Hedonismus angesagt. Wir waren mal wieder zu fähig in der Konkurrenz zum Rest der Welt. Rekordüberschüsse, die draußen in der Welt keiner mehr will, sollen gefälligst zu Hause Abnehmer finden. Deshalb wird den Gewerkschaften heute eine andere Vernunft gepredigt: Keine Lohnzurückhaltung, die Konsumpflicht ruft. es ist ja Weihnachten. d.sin Alexander Smoltczyk

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