: Mitterrand wußte von Iran–Waffenverkäufen
■ Französischer Staatspräsident weist Verantwortung zurück: „Ich habe Waffenverkäufe an den Iran untersagt“ / Mitterrand bestritt Finanzierung der Sozialistischen Partei aus illegaler Waffenlieferung / Suche nach den Verantwortlichen bisher ohne Erfolg
Paris/Lyon (afp/ap) - In seiner ersten öffentlichen Stellungnahme zu der wiederaufgeflammten Affäre um die französischen Waffenlieferungen an den Iran hat der französische Staatschef Mitterrand am Montag jede persönliche Verantwortung in der Affäre zurückgewiesen. In einem eineinhalbstündigen Interview in Radio Luxemburg sagte Mitterrand, er habe kurz nach seinem Amtsantritt im Mai 1981 „dem Minister und den Verwaltungen die Anweisung gegeben, dem Iran nichts zu verkaufen“. Es habe von 1981 bis 1982 allerdings noch Lieferungen zuvor bestellter und bereits bezahlter Ersatzteile und „verschiedener, natürlich ganz belangloser Waffen“ an den Iran gegeben. Als er im Mai 1984 vom Chef der Abwehr, Admiral Lacoste, über die fortgesetzten Iran–Geschäfte des Unternehmens Luchaire unterrichtet wurde, habe er Lacoste gebeten, darüber mit dem damaligen Verteidigungsminister Charles Hernu zu sprechen. Er habe von der Verfassung nicht die Aufgabe erhalten, die „Exportgenehmigungen für Kriegsmaterial zu prüfen“, setzte der Präsident fort. In der Luchaire–Affäre sei es nun am zuständigen Untersuchungsrichter, über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Mit Entschiedenheit bestritt Mitterrand, daß der Sozialistischen Partei Geld aus den illegalen Waffenlieferungen zugeflossen sei. Er lege seine „Hand dafür ins Feuer“, daß dies nicht der Fall sei, sagte der sozialistische Präsident. Zugleich bezeichnete er die Art und Weise, wie der Bericht über die Lieferungen nach Teheran bekanntgemacht und gegen die Sozialisten ausgenutzt wurde, als „immensen moralischen Betrug“ an der PS. In diesem Zusammenhang sprach sich der Staatschef für ein Parteifinanzierungsgesetz aus, das der Nationalversammlung noch in dieser Legislaturperiode vorgelegt werden solle, „damit diese Frage, die das Leben der Republiken seit über hundert Jahren vergiftet, ein– für allemal geregelt werden kann“. Die französische Luftwaffe hat nach einem Bericht der Tageszeitung Lyon–Figaro zwischen 1982 und 1986 mit eigenen Maschinen und Piloten Waffen und Munition direkt in den Iran geliefert. In ihrer Dienstagsausgabe veröffentlichte die Zeitung unter anderem die Photokopie einer „allgemeinen Verlade–Erklärung“ vom 14. Februar über die Lieferung von neun Tonnen „Waffen und Munition“ an Teheran. In dem Dokument werden als Absender die Firma Manurhin und als Verladeort der Luftwaffenstützpunkt 124 in Straßburg genannt. Als Bestimmungsort für die Lieferung ist auf dem Papier „Teheran“ mit Flugroute über Istria, Solenzara und Ankara angegeben. Das Dokument ist unter anderem vom Piloten der Maschine, dessen Unterschrift geschwärzt wurde, unterzeichnet. Nach Darstellung des Blattes liegen insgesamt sechs solcher Verlade–Erklärungen vor, drei mit dem Bestimmungsort Teheran, die anderen mit Zielorten im Irak: Demnach gingen am 25. Februar 1982 zwölf Tonnen Waffen und Munition an Bord von zwei Transall– C160–Transportmaschinen auf den Weg nach Teheran, etwa ein Jahr später wurden zwölf Tonnen nach Kirkuk in den Irak gebracht, im März 1985 gingen 20 Tonnen Rüstungsgüter nach Bagdad, drei Monate später 14 Tonnen, dieses Mal wieder nach Teheran. 1986 wurden der Zeitung zufolge im Februar 18 Tonnen Waffen und Munition nach Teheran und im März 15 Tonnen nach Bagdad geflogen. Rund 20 dieser „Nachtflüge“ seien zwischen 1982 und 1986 gestartet worden, schreibt die Zeitung unter Berufung auf ihren Informanten, einen nicht namentlich genannten Angehörigen der französischen Luftwaffe, der bei diesen Aktionen dabei gewesen sein will. Die „mysteriösen Kisten“, die stets als „Waffen“ oder „Waffen und Munition“ deklariert waren, hätten seines Wissens „Panzerfäuste“ enthalten, erklärte der Mann gegenüber der Zeitung. Erstaunt und ungläubig haben Sprecher der regierenden bürgerlichen Parteien Frankreichs am Dienstag auf das Interview Mitterrands vom Vorabend reagiert. Franck Borotra, der Sprecher der neogaullistischen Sammlungsbewegung für die Republik (RPR) von Ministerpräsident Jacques Chirac, sagte dazu: „Er hat 32 Minuten zu Erläuterungen gebraucht, und nach diesen 32 Minuten wissen wir immer noch nicht, wer verantwortlich war. Irgendwer muß doch verantwortlich gewesen sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen