D O K U M E N T A T I O N Sehr geehrter Herr Konsul,

■ Der taz–Autor William Totok, der erst in diesem Jahr aus Rumänien in die Bundesrepublik ausreisen durfte, beklagt in einem Brief an den rumänischen Generalkonsul in Berlin die Sippenhaftpraxis der rumänischen Behörden

Am19.Oktober 1987 schrieb ich Ihnen einen Brief, in dem ich mich mit der Bitte an Sie (und indirekt an die rumänischen Behörden) wandte, das Ausreiseverfahren meiner in Rumänien zurückgehaltenen Freundin und meiner Familienangehörigen zu beschleunigen. Der Brief wurde mir am 26.10.87 (Poststempeldatum) vom West–Berliner Rumänischen Generalkonsulat kommentarlos zurückgeschickt. Eigentlich sollte mich dies nicht wundern. Daß ich quasi gezwungen wurde, mein Land zu verlassen, wissen Sie genauso gut wie ich. Aber daß man nun meine Angehörigen für meine „Aktivitäten“ bestraft, indem man sie als Geiseln in einem Land festhält, aus dem sie ausreisen wollen, ist einfach unerhört. Man versucht durch diese Form von „Sippenhaft“, Druck auf mich auszuüben. Kurz nach meiner Übersiedlung nach West–Berlin in diesem Frühjahr forderte ein Polizeibeamter meinen Vater auf, mir mitzuteilen, ich möge mich in keinerlei Weise mehr in den westdeutschen Medien zur Situation in Rumänien äußern. (Meine in der taz veröffentlichten Beiträge, „Keine Chance für kritische Literatur“, vom 26.5.1987, und „Polizei gegen kritische Autoren“, vom 2.6.1987, haben wahrscheinlich diese Reaktion mit ausgelöst.) Wie Sie wissen, wurde im Sommer 1975 mein Bruder, Gunter Totok, vom rumänischen Sicherheitsdienst verhaftet. Die Haussuchungen, tagelangen Verhöre und schließlich der Prozeß wegen sogenannter „antisozialistischer Propaganda“ fanden zur gleichen Zeit statt, als Rumänien die KSZE– Schlußakte in Helsinki mitunterzeichnete. Mein Bruder wurde wie ein Schwerverbrecher in Ketten gelegt und von einem Gefängnis zum anderen geschleppt, um dann die fünf Jahre, zu denen er während eines lächerlichen Prozesses hinter verschlossenen Türen vom Temeswarer Militärgericht verurteilt worden war, in der Strafanstalt für politische Häftlinge in Aiud abzusitzen. Seine einzige Schuld bestand darin, daß er mein Bruder ist! Durch diesen Prozeß sollten sowohl meine Freunde als auch ich (wir hatten uns 1972 zur literarischen Vereinigung „Aktionsgruppe Banat“ zusammengeschlossen) eingeschüchtert werden. Im November 1975 wurde ich ebenfalls wegen „antisozialistischer Propaganda“ verhaftet. Man warf mir vor, „staatsfeindliche Gedichte“ verfaßt und verbreitet zu haben. Erst im Juni 1976, nachdem einige ausländische Zeitungen über meinen „Fall“ berichtet haben, wurde ich aus der Isolationshaft entlassen. Einige Tage darauf wurde in größter Heimlichkeit auch mein Bruder „begnadigt“. In einem der norwegischen Zeitung Aftenposten gewährten Interview erklärte der rumänische Präsident, Nicolae Ceausescu, am 29.10.1980: „In den letzten 15 Jahren wurde und wird in Rumänien niemand wegen seiner Haltung, wegen seinen Meinungen bestraft. Niemand wird in Rumänien dafür eingesperrt, daß er die Menschenrechte verteidigt, da der erste und stärkste Verteidiger der Menschenrechte der Präsident Rumäniens selbst ist“. Wie dem auch sei, sehr geehrter Herr Konsul, Rumänien ratifizierte sowohl die Allgemeine Deklaration der Menschenrechte als auch die Schlußakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 1975 in Helsinki. Im Einklang mit den Bestimmungen dieser in William Totok