: Vorzensur oder Deeskalation?
■ Nürnberger Polizei begehrte vergeblich Eintritt zu einer Diskussionsveranstaltung
Wenige Stunden Nach Paragraph 12 des Versammlungsgesetzes sind die Veranstalter verpflichtet, den Beamten, die sich zu erkennen geben müssen, Zugang zu gewähren und einen „angemessenen Platz“ einzuräumen. Dies geschah in Nürnberg nicht. Diskussionsteilnehmer verschlossen die Türen, die Veranstalter beendeten die Versammlung. Die Referenten - Oliver Tolmein (taz–Bonn), Detlev zum Winkel (konkret), ein Mitglied der Frankfurter autonomen Lupus–Gruppe - diskutierten auf Wunsch der 300 Zuhörer weiter. Die Polizei, verblüfft über diese Entwicklung, verzichtete auf gewaltsames Eindringen und zeigte die Veranstalter - den Schreiber dieser Zeilen und einen Vertreter des KB - an. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 5.000 DM geahndet werden. Das Polizeipräsidium rechtfertigte das Vorgehen als normalen Dienstauftrag. Jedoch die konkrete Ankündigung polizeilicher Beobachtung besitzt selbst im Freistaat noch einen besonderen Charakter. Bei der umstrittenen Bundeskonferenz der Anti–AKW–Initiativen im Januar in Nürnberg versuchte die Polizei erstmals, Beamte offiziell und angekündigt ins KOMM zu entsenden. Bei einer Veranstaltung zum Volkszählungsboykott im KOMM waren dann tatsächlich zwei uniformierte Beamte zugegen, eine Diskussion unter den Anwesenden kam nicht mehr zustande. Wer die Ankündigung von Polizeipräsenz als zuvorkommendes, ja geradezu höfliches Verhalten im Sinne der Deeskalation versteht, denkt zu kurz. Jeder kann und muß davon ausgehen, daß bei einer solchen Veranstaltung Beamte und Zivis anwesend sind. Doch die Ankündigung polizeilicher Präsenz und das konkrete Wissen darüber besitzt eine neue Qualität. Sie bezweckt, daß die Veranstalter in die Zwickmühle geraten, denn wer als Teilnehmer von der Polizeipräsenz weiß, wird sich hüten, die Diskussion in aller Offenheit zu führen. Die Schere im Kopf wird aktiviert - sonst Ausgesprochenes unterbleibt vorsorglich. Das war wohl auch als Ziel zu vermuten, gerade beim Thema Startbahn West, gerade in Bayern. Es wurde in Nürnberg zwar noch nicht erreicht, die Veranstalter sollen die Diskussions– und Versammlungsfreiheit jedoch mit barer Münze bezahlen. Das allerdings werden die Gerichte entscheiden müssen. Bernd Siegler
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