Wo ist der Meister des Bluffs schon überführt?

■ Für alle, die allmählich oder schon lange den Überblick verloren haben, was nun der Kieler Untersuchungsausschuß gegen Barschel und Pfeiffer an Beweisen erbringen konnte, folgender Versuch einer Zwischenbilanz

Von J. Feldner und H. Fenner

Kiel (taz) - Bis zum 15. September 1987, so Barschel in seinen eidesstattlichen Versicherungen und auf der Ehrenwortpressekonferenz am 18. September, habe er eine Kopie der Steueranzeige „weder erhalten noch gesehen“. Darin war Oppositionsführer Björn Engholm fälschlicherweise der Steuerhinterziehung bezichtigt worden. Doch juristisch einstehen für diese Behauptung wollte der ehemalige Ministerpräsident lieber nicht; er berief sich auf die eidestattliche Versicherung seiner Sekretärin Brigitte Eichler. Bereits am ersten Tag des Untersuchungsausschusses erklärte Finanzminister Roger Asmussen wie auch später sein Staatssekretär Carl Herrman Schleifer, Barschel habe sich bereits Ende Januar bei Schleifer nach dem Stand der Ermittlung in Sachen Steueranzeige erkundigt. Zudem präsentierte die Lübecker Staatsanwaltschaft drei Einschreibbelege mit den fortlaufenden Kennziffern 683 bis 685. Zwei waren mit dem Original und einer Kopie der anonymen Steueranzeige bei der Steuerfahndung im Lübecker Finanzamt und im Kieler Finanzministerium eingegangen. Den Eingang des Einschreibens Nummer 683 quittierte Barschels Vorzimmerfrau am 26. Januar. An den Inhalt des Briefes wollte sie sich nicht mehr erinnern. Nun läuft gegen sie ein Verfahren wegen Verdachts der Falschaussage. Public Relations 32 Vorschläge einer human– touch–publicity für den „MP“ im Landtagswahlkampf hat Pfeiffer ausgearbeitet. Doch Barschel versicherte an Eides statt: „Ich kenne diesen Katalog nicht“. Besser erinnern konnte sich da der dritte Mann der Pressestelle, Klaus Seelig. Am 5. Mai hätten Barschel, dessen Intimus Ahrendsen und einer aus der Staatskanzlei zusammen mit Pfeiffer in Hamburg über dessen PR–Tips beraten. „Im Panzer nach Hamburg, der MP vorne rechts“, kam auch Ahrendsen mit Verspätung die Erinnerung an den Hamburger Ausflug wieder. Bar schel dagegen hatte immer behauptet, seit dem 1. Mai mit Pfeiffer nicht mehr gesprochen zu haben. Durch Akten– und Konteneinsicht ist auch bewiesen, daß Pfeiffer am 1. Mai noch nicht in Scheidung lebte und ausreichend Geld auf der Bank hatte; Barschel hatte behauptet, Pfeiffer habe mit ihm über Geld– und Ehesorgen reden wollen. Wanzenbeschaffung Auch der Untersuchungskomplex „Wanzenbeschaffung“ ist nahezu aufgeklärt. Hier bestätigte sich wieder die Aussage des „windigen Zeugen Pfeiffer“ und entlarvte das Ehrenwort des Ministerpräsidenten als Lüge. Dreimal, so Pfeiffer, habe Barschel am 8. September mit ihm telefoniert und die Beschaffung einer Telefonwanze gefordert. Alles „Lüge“, sagte Barschel und gab sein Ehrenwort. Für das erste Gespräch morgens 8.30 Uhr wies die Bundespost nach, daß Barschels drahtloses Telefon - entgegen dessen uneidlicher Falschaussage - funktionsfähig war. Barschel hatte also, entgegen seinen Einlassungen, durchaus die Möglichkeit gehabt, unbemerkt von seinem Garten aus mit Pfeiffer zu telefonie ren. Barschel liebte sein drahtloses Telefon „Sinus 1“; als er es von der Kieler Firma Hagenuk geliefert bekam, hatte er extra eine Presseschau veranstaltet. Am Mittag desselben Tages ließ Barschel nur einen kurzen „Lockruf“ an Pfeiffers Büro in Kiel absetzen. Pfeiffers Rückruf in Barschels Möllner Privathaus - von 14.12 bis 14.20 Uhr - hat der Telefoncomputer im Kieler Landeshaus nachgewiesen. Das dritte Gespräch am Abend via Autotelefon hatte diesmal die Bundespost mitgestoppt. Um im Streitfall ein Beweismittel zur Gebühreneintreibung zu haben, zeichnet sie alle Autotelefongespräche auf, samt der Teilnehmernummer, Uhrzeit und Dauer. Das Telefonat zwischen 20.07 und 20.09 Uhr konnte nach Aussage von Barschels beiden Sicherheitsbeamten nur auf dem Weg nach Kiel geführt worden sein, als sich außer Barschel und dessen Fahrer keine dritte Person mehr in der Panzerlimousine befand. Trotzdem beharrt Ahrendsen darauf, der Anrufer gewesen zu sein. Barschel wollte an diesem Abend nach Kiel zurück, da er für den nächsten Morgen die Überprüfung seines Diensttelefons, in dem die „Wanze“ entdeckt und der SPD angelastet werden sollte, angeordnet hatte. Er wollte bei der Entdeckung dabeisein. Bei früheren Überprüfungen durften die Handwerker nur in sein Zimmer, wenn der „MP“ nicht da war, daran erinnerten sich die Techniker im Zeugenstand sehr genau. Doch Pfeiffer hatte keine Wanze besorgen und somit der Kontrolleur nichts finden können. Gelogen ist auch Barschels Behauptung, er habe den Termin der von ihm bestellten Telefonüberprüfung nicht gekannt. Dieser Termin steht in Barschels Musterschülerhandschrift sauber eingetragen in seinem Terminkalender. Das ist zwei Monate lang verborgen geblieben, weil Barschel ein Meister des Bluffs war und kein Journalist sich getraut hat, die Behauptung von der „Ehrenwortpressekonferenz“, ein Blick in seinen „dichtgedrängten Terminkalender“ dieses Tages werde jeden Überzeugen, daß er gar nicht unbeobachtet habe telefonieren können, einmal mit eigenen Augen zu überprüfen. Bespitzelung von Engholm Barschel behauptete, weder Pfeiffer noch sonst jemanden, auch keine Detektive, auf Engholms Privatleben angesetzt zu haben. Bewiesen ist heute, daß Pfeiffer beim Bremerhavener Detektivbüro Harry Piel Schnüffler geordert hat und daß Piel dafür vom CDU–Landesverband 50.000 Mark haben will. Bewiesen ist auch, daß Piel vom Shampoo–Manager und Hamburger Arbeitgeberpräsidenten Ballhaus 14.000 Mark bekommen hat und daß Piels Leute Engholm beschattet haben - so dilettantisch, daß die Polizei aufmerksam wurde. Die Detektive sagten, sie seien wegen angeblicher Steuerhinterziehung hinter Engholm her gewesen, nicht wegen erhoffter Seitensprünge. Bewiesen sind auch die engen persönlichen und privaten Beziehungen zwischn Barschel und Ballhaus. Ballhausens Behauptung, er habe Piel für nie gelieferte Informationen über die Panorama– Redaktion bezahlt, ist nicht plausibel. Ballhaus steht unter Verdacht, die Bespitzelung selbst ist bewiesen, ihre Ergebnislosigkeit auch, Barschels Tatbeitrag jedoch nicht. Es bleibt aber festzuhalten: Ohne Barschel hätte der kleine Pfeiffer niemals Connections mit Ballhaus aufnehmen können. Engholm mit AIDS bedroht Am 5. Februar wurde Engholm von einem nichtexistenten „Dr. Wagner“ am Telefon mit der Behauptung eingeschüchtert, er habe AIDS. Der Anruf kam vom Dienstapparat des stellvertretenden Regierungssprechers Ahrendsen; der hat ein Alibi, Pfeiffer hatte die Gelegenheit. Am 17. wiederholte sich der Telefonterror. Am 18. verfaßte Barschel mit Ahrendsens Hilfe - ohne jeden aktuellen politischen Bezug, scheinbar unmotiviert - seine erste eigenhändige Pressemitteilung, Thema „Treue schützt vor AIDS“. Ohne eine gleichzeitige AIDS–Kampagne gegen Engholm gäbe diese Pressemitteilung nach einhelliger Überzeugung aller Beobachter keinen Sinn. Im Dienst der CDU „Mehr als zehn Referenzen“ galt es in Kiel, wenn ein Bewerber wie Pfeiffer aus dem Springerkonzern kam. Niemand fand etwas dabei, daß Pfeiffer bei der CDU–Wahlzeitung während seiner Dienstzeit den Chef vom Dienst spielte. Es war normal, wenn Regierungssprecher Behnke das Korrekturlesen übernahm, wenn Regierungsdirektor Lambrecht ein Pamphlet „Betrifft Engholm“ im Stile des ZDF–Magazins schrieb. Oder wenn Regierungsdirektor Ahrendsen die Herausgabe des CDU– Heftes „Schönes Schleswig–Holstein“ besorgte und dafür Artikel schrieb, und wenn die Gestaltung des Heftes von der Werbeabteilung des Springerverlages übernommen wurde, dann war das auch normal in Kiel. So, wie das Heft dann aussah, „hätte es genausogut eine Regierungsveröffentlichung sein können“, meinte Ahrendsen zu dem Vorwurf, unter Barschel sei der Staatsapparat die wahre Parteizentrale gewesen.