: Neue Bewegung im Indochina–Konflikt
■ Prinz Sihanouk trifft in Paris zu Sondierungsgesprächen mit dem kambodschanischen Premier zusammen / Neue Flexibilität Chinas könnte den Weg zur Lösung des Indochina–Konflikts weisen / Auch Vietnam scheint inzwischen an politischer Lösung interessiert
Aus London Larry Jagan
Die beiden rivalisierenden kambodschanischen Führer, Premierminister Hun Sen und der Präsident der aus dem Exil operierenden „Koalitions–Regierung eines Demokratischen Kambodschas“ (CGDK), Prinz Sihanouk, werden heute in Fere–en–Rardenois, in der Nähe von Paris, zu informellen Sondierungsgesprächen zusammentreffen. Der Verlauf der Gespräche soll anschließend veröffentlicht werden. Dies könnte den Beginn eines diplomatischen Dialogs markieren, der den nunmehr 40jährigen Indochina–Konflikt zu einem Ende bringen könnte. Zuvor waren zahlreiche Gespräche stets von China oder Vietnam torpediert worden. Diesmal, so bekräftigen beide Seiten, soll es ernst werden. Sogar China, der wichtigste Unterstützer der CGDK, hat dem Treffen diesmal seinen Segen gegeben. Sihanouk war im letzten Monat zweimal in Peking, um mit der chinesischen Führung die neuen Entwicklungen zu diskutieren. Die Vietnamesen, auf der anderen Seite, scheinen sich ebenso stark für das Zustandekommen eines Dialogs zu interessieren. Sie schicken ihren Außenminister Nyugen Co Thach nach Paris: offiziell zum Besuch des Parteitages der französischen KP, aber vielleicht in der Hoffnung, mit Sihanouk nach dessen Treffen mit Hun Sen ebenfalls ins Gespräch zu kommen. Obwohl eine politische Lösung erst am Ende langer und komplizierter Verhandlungen stehen würde, hat die neue diplomatische Offensive das Schicksal der Khmer nach neun Jahren wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Wenn man gewissen Quellen aus der Reagan–Regierung Glauben schenken darf, dann wird die Situation Kambodschas auch auf dem kommenden Gipfel zwischen Gorbatschow und Reagan diskutiert werden. Chinas Führer Deng Xiaoping hat Gorbatschow jedenfalls angeboten, ihn jederzeit und überall zu treffen, um über Kambodscha zu reden. Am Beginn all dieser neuen Entwicklungen hatte Prinz Sihanouks überraschende Entscheidung vom Mai gestanden, sich für ein Jahr aus der politischen Arena zurückziehen, um nicht länger als „Pfand in der Konfrontation der Supermächte“ benutzt zu werden. Statt dessen wollte er sich für die langfristigen Interessen Kambodschas einsetzen. Obwohl Sihanouk sich immer geweigert hatte, mit Phnom Penh vor einem vollständigen Rückzug der Vietnamesen über Kambodschas Zukunft zu reden, hatte er den kambodschanischen Premier schon im Juli in Nordkorea treffen wollen. Damals jedoch hatten die Chinesen ihn noch zurückgepfiffen. Auf der anderen Seite hat Vietnam auf starken sowjetischen Druck hin nun seine Bereitschaft zu einer politischen Lösung für Kambodscha signalisiert. Moskau und Hanoi wollen sich auf die ökonomische Entwicklung Vietnams konzentrieren können und versuchen deswegen, ihre Beziehungen zu den Chinesen zu verbessern. Beides hängt von einer Lösung der Kambodscha–Frage ab. Zwar war der Versuch des indonesischen Außenministers, Mochtar Kusamaatmadja, alle Beteiligten am Indochinakonflikt zu einer Art „Cocktail Party“ zusammenzubringen, noch im Juli gescheitert, Vietnams Bereitschaft zu einem Dialog war jedoch offensichtlich. Zum ersten Mal haben die Vietnamesen ihren Widerstand gegen eine Beteiligung der Roten Khmer an den Friedensgesprächen und an einer Lösung aufgegeben. Phnom Penh hat jüngst gar international kontrollierte freie Wahlen vorgeschlagen, die zu einer Koalitionsregierung führen sollten, zur Schaffung eines „unabhängigen, demokratischen, neutralen und blockfreien Kambodschas“. Sihanouk wurde dabei ein führender Regierungsposten versprochen. Obwohl die CGDK diese Angebote ursprünglich als „Propaganda“ zurückgewiesen hatte, haben die Chinesen nun ebenfalls ihr Interesse an einer politischen Lösung ausgedrückt. Chinas Außenminister Wu Xuequian, so behaupten Insider, habe seinem sowjetischen Gegenüber Eduard Schewardnadse auf der letzten UN–Sitzung zu erkennen gegeben, daß China dem Nachkriegs–Kambodscha nicht länger eine Regierung der Roten Khmer auferlegen wolle. Die Chinesen scheinen eingesehen zu haben, daß eine Rückkehr der von ihnen unterstützten Roten Khmer an die Macht nicht mehr möglich sein wird. Auch drängen chinesische Militärs auf eine Lösung des Grenzkonfliktes. Vietnams Interesse an einer Lösung speist sich dagegen aus der Enttäuschung des Heng Samrin–Regimes über die Rekrutierungsversuche in Kambodscha. Nach neun Jahren „Besetzung“ kann die „kambodschanische Revolutionspartei“ über ganze 7.000 Kader verfügen, während der nur halb so große sozialistische Nachbar Laos rund 40.000 Kader vorzuweisen hat. Die Zukunft der jetzigen Initiativen hängt allerdings weiterhin allein von Prinz Sihanouk ab, dem einzigen, der die Kambodschaner hinter sich vereinigen könnte. Mit der Unterstützung Chinas und seines Koalititonspartners Son Sann kann Sihanouk in Paris nun alle Möglichkeiten für eine politische Lösung ausloten. Für Sihanouk selbst stellt sein Treffen mit Hun Sen nur einen ersten Schritt dar, der zu Verhandlungen mit Vietnam führen soll. Die Ergebnisse solcher Verhandlungen sollen dann von einer internationalen Konferenz aller direkt und indirekt verwickelten Mitglieder des UN–Sicherheitsrates - von den USA, China, der UdSSR, Großbritannien und Frankreich - garantiert werden. Sowohl Kambodscha, Vietnam und die Sowjetunion haben dieser Idee einer internationalen Konferenz bereits zugestimmt. Sihanouk ist unlängst mit UN– Generalssekretär Perez de Cuellar zusammengetroffen und es gibt zunehmend Spekulationen darüber, daß von den Vereinten Nationen initiierte Vorbereitungsgespräche mit den Franzosen als Mittlern den nächsten Schritt in der Indochina–Saga darstellen könnten.
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