Kein arabischer Strom für Israelis

■ Jüdische Stadtteile Ost–Jerusalems wurden über Nacht an das israelische Netz angeschlossen / Rund der Hälfte der Angestellten des palästinensischen E–Werks droht die Entlassung

Aus Tel Aviv Amos Wollin

In einer lange vorbereiteten Blitzoperation der israelischen Regierung sind die jüdischen Stadtteile Ost–Jerusalems im Laufe der Nacht zum Montag vom Netz der arabischen Jerusalem Electric Company (JEC) abgetrennt und an die staatliche israelische Stromleitung angeschlossen worden. Über tausend Mitglieder der Polizei und Grenzwache waren mobilisiert worden, um die Übernahme durch die Israelis gegen eventuelle Angriffe abzusichern. Das arabische Elektrizitätswerk verfügte seit 60 Jahren über eine Konzession für alle Verbraucher im Radius von 20 Kilometern um das Zentrum der Altstadt. Seit langer Zeit schon sucht Israel dieses Wahrzeichen palästinensischer Unabhängigkeit zu beseitigen. In den dreizehn neuen jüdischen Vorstädten, die nach der Eroberung Ost–Jerusalems vor 20 Jahren entstanden sind, wurden Zehntausende von Haushalten jetzt von der israelischen Elektrizitätsgesellschaft „übernommen“. In der zweiten Phase sollen auch die neuen jüdischen Siedlungen und Militärlager von arabischer Strombelieferung „erlöst“ werden und ausschließlich israelische Elektrizität beziehen. Das Projekt muß bis Monatsende abgeschlossen sein. Der Minister für Energie Mosche Schahal (Arbeiterpartei) erklärte am Montag auf einer Pressekonferenz, daß auch die arabischen Verbraucher in Ost–Jerusalem von der israelischen Gesellschaft übernommen werden sollen, falls die arabische Firma nicht bereit ist, die neuen Einschränkungen zu akzeptieren und eng mit Israel zu kooperieren. Im August hatte die israelische Regierung beschlossen, die alte Konzession der arabischen Gesellschaft nicht mehr zu erneuern. Die Knesset, das israelische Parlament, verabschiedete in diesem Sinne ein Gesetz, das eine beschränkte Konzessionsverlängerung bis zum Jahre 2000 nur dann gestattet, wenn die Jerusalem Electric Company bereit ist, ausschließlich arabische Stadtviertel und arabische Verbraucher zu beliefern und alle jüdischen Vorstädte und Verbraucher an das israelische Netz abgibt. Das Energieministerium erteilte den über 500 Angestellten der arabischen Firma den Befehl, den israelischen Kollegen bei der sofortigen Übernahme behilflich zu sein. Dabei bringen die israelischen Behörden die drakonischen Sonderverordnungen der britischen Kolonialmacht aus dem Jahre 1945 und ein Streikverbot zur Anwendung. Gegen ihren Willen werden die Ingenieure der arabischen Gesellschaft damit von der Polizei gezwungen, den israelischen Kollegen bei den Umschaltungsarbeiten behilflich zu sein. Der Vorstand der arabischen Firma, Hanna Nasser, wurde nur ein paar Stunden vor Beginn der Aktion informiert. Ungefähr die Hälfte der über 500 palästinensischen Angestellten sollen jetzt im Rahmen des Abkommens über eine Rumpfkonzession mit zwölfjähriger Gültigkeit entlassen werden. Im Grunde handelt es sich dabei um ein Ultimatum. Wenn die Palästinenser das israelische Diktat ablehnen, werden alle palästinensischen Angestellten sofort entlassen. Ägypten und Jordanien haben gegen das israelische Vorgehen protestiert, aber bisher keine Schritte unternommen, um die Angelegenheit vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu bringen. Das arabische Elektrizitätswerk von Ost–Jerusalem ist der einzige größere Industriebetrieb in der besetzten Westbank, der noch in palästinensischem Besitz ist. Deshalb kommt ihm eine große symbolische Bedeutung zu. Die israelischen Behörden behaupten demgegenüber, daß es sich um eine Hochburg des palästinensischen Nationalismus und der PLO handelt, die es zu beseitigen gelte.