Erneut US–Pilot über Nicaragua abgeschossen

■ US–Bürger war vermutlich für Versorung der Contras unterwegs / Verschiedene Dokumente gefunden US–Regierung schweigt / Neuauflage des Falls Hasenfus / US–Farmer aus Costa–Rica in Contra– Versorgung verwickelt

Aus Managua Georg Hodel

Mit einer Anklage wegen „Spionage“ und der „Unterstützung terroristischer Aktivitäten“ muß der nordamerikanische Pilot James Denby aus Clarinville (Illinois) rechnen. Er war in seiner einmotorigen Transportmaschine vom Typ „Cessna 172“ vergangenen Sonntag in der Nähe von San Juan del Norte, wenige Kilometer vor der costa–ricanischen Grenze, unter Maschinengewehrfeuer der sandinistischen Streitkräfte genommen und zur Landung gezwungen worden. Dies erklärte der nicaraguanische Verteidigungsminister Humberto Ortega anläßlich einer Pressekonferenz am Montag, bei der den anwesenden Pressevertretern Einblick in die von Denby mitgeführten Unterlagen, Einsatzdiapositive, Flugpläne und Fotonegative, gewährt wurde. Aus den Dokumenten geht hervor, daß der US–Pilot offenbar verschiedene Versorgungsmissionen für die antisandinistischen Contras im Süden des Landes ausgeführt hatte. Eine vom Verteidigungsmini sterium vorgeführte Videoaufnahme zeigte den unverletzten Piloten in Shorts und Hawaii–Bluse im Moment seiner Festnahme durch nicaraguanische Soldaten. Der kleine Fischerort San Juan del Norte an der Atlantikküste Nicaraguas war 1984 Ziel eines Contra–Angriffs unter der Führung des ehemaligen Rebellenführers Eden Pastora und ist seinerzeit fast vollständig zerstört worden. Der US–Pilot wird derzeit noch von der Sicherheitspolizei verhört, soll aber noch diese Woche von Vertretern der US–Botschaft in Managua besucht werden können. Ein Contra–Sprecher in Washington erklärte unterdessen, die Contra habe keine Verbindungen zu Denby. Das Weiße Haus und der CIA weigerten sich bislang, eine Stellungnahme zu dem Vorfall abzugeben. „Denby ist wohl kaum als Weihnachtsmann zu uns gekommen“, erklärte Verteidigungsminister Ortega und legte verschiedene vom Piloten mitgeführte US–Militärinsignien, Visitenkarten von nordamerikanischen Waffenhändlern sowie einen auf Den bys Namen ausgestellten Fähigkeitsausweis für den Umgang mit Explosivstoffen auf den Tisch. Fotonegative, die in Denbys Unglücksmaschine gefunden wurden, zeigen Luft– und Bodenaufnahmen von verschiedenen Contra–Stützpunkten in der Grenzregion von Costa Rica und Nicaragua. Denby ist Besitzer einer Viehzuchtfarm im Norden Costa Ricas, deren Ländereien bis an die Grenze Nicaraguas reichen und in der Vergangenheit als Versorgungsstützpunkt der nicaraguanischen Freischärler benutzt worden war. Eine von dem US–Magazin Farm Journal 1984 veröffentlichte Aufnahme zeigt Denby zusammen mit etwa 30 schwerbewaffneten Contra auf dem Gelände seiner Farm. Die von dem US–Magazin zusammen mit dem Foto publizierte Reportage beschäftigt sich mit US–amerikanischen Farmern in Costa Rica, die die Contras unterstützen, darunter auch Denbys Farmnachbar, der US–Bürger John Hull. Hull und Denby sollen laut einem Untersuchungsbericht von US–Senator John Kerry aus Mas sachusetts maßgeblich an dem von dem ehemaligen Mitarbeiter des US–Sicherheitsrates, Oliver North, aufgezogenen, illegalen Contra–Versorgungsnetzwerk beteiligt gewesen sein. John Hull, der zeitweise 10.000 Dollar pro Monat für seine Versorgungs– und Unterstützungaktivitäten für die Contra–Freischärler erhalten hatte, soll außerdem einem Kokain–Schmugglerring des berüchtigten Medelliner Drogenkartells (Kolumbien) angehören, daß die in Costa Rica operierenden Contra–Banden mit Millionenbeträgen unterstützt hat. Aus Gerichtsunterlagen, die an Bord von Denbys „Cessna“ sichergestellt werden konnten, geht hervor, daß Denby erst kürzlich in Miami an einem Prozeß, der sich mit John Hulls Contra–Versorgungs– und Drogenschieberaktivitäten beschäftigt, teilgenommen hatte, um Aussagen zu machen. Hull erklärte inzwischen, seine Beziehung zu Denby habe nie etwas mit der Contra zu tun gehabt. Mit der Gefangennahme von James Denby erlebt der „Fall Hasenfus“ sozusagen eine Neuauflage. Eugene Hasenfus wurde im Oktober vergangenen Jahres an Bord einer Contra–Versorgungsmaschine ebenfalls im Süden Nicaraguas abgeschossen und konnte sich als einziges Besatzungsmitglied mit dem Fallschirm retten. Hasenfus wurde in Nicaragua zu 30 Jahren Haft verurteilt, aber an Weihnachten letzten Jahres begnadigt. Seine Ausführungen trugen wesentlich dazu bei, die sogenannte „Iran/Contra“–Affäre aufzudecken. Der vor einer knappen Monatsfrist veröffentlichte Untersuchungsbericht des US–Kongresses über die Affäre hat die costa–ricanischen Regierungsbehörden in Zusammenhang mit dem illegalen Contra– Versorgungsnetzwerk von Oliver North schwer kompromittiert.