: Vor dem Konkurs
NOVATOME droht der Bankrott. Die Brüterfirma des Superphenix steht mit annähernd 35 Millionen Mark in der Kreide. Dabei hätte alles so einfach sein können: NOVATOME schreibt dem Euromulti NERSA1 eine Rechnung für den Bau der kerntechnischen Anlagen, kassiert und ist umgehend aus dem Minus. Die Sache hat einen Haken. Die Strommanager des Bauherrn NERSA warten weiterhin auf die vertragsgemäße Übergabe des Brüters, die mit der sogenannten „industriellen Inbetriebnahme“ einhergeht. Das ist eine Art letzter Qualitätsprüfung, der Reaktor muß einen Monat lang mindestens 60 Prozent Leistung bringen und soll davon eine Woche ohne Abschaltung laufen.
Zwischen dem Netzanschluß am 14. Januar 1986 und der Abschaltung am 26. Mai 1987 hat der Brüter von Malville gerade 48 Stunden lang volle Leistung gebracht. Die industrielle Inbetriebnahme ist auf unbestimmte Zeit verschoben. NERSA hat zwar seit Jahren Geld an NOVATOME überwiesen, insgesamt etwa drei Milliarden Mark. Die gehen aber in die Bilanz lediglich als Vorschuß ein. Mehr als 100 Mio. Mark stehen außerdem noch aus.
Auch der Reaktorbauer FRAMATOME hat als Alleininhaber NOVATOMEs ein Interesse an der Lösung des Konflikts. FRAMATOME könnte das Bilanzproblem seiner Tochtergesellschaft über eine Eingliederung in den Mutterkonzern lösen. Der FRAMATOME/NOVATOME Vorstandsvorsitzende Jean- Claude Leny hat jedoch die Fusionan eine Bedingung geknüpft; er will das NOVATOME-Defizit steuerlich vom FRAMATOME- Profit (240 Mio. DM 1986) absetzen. Der französische Finanzminister hat abgelehnt. Leny will dennoch hart bleiben. Sollte NOVATOME nicht aus den roten Zahlen kommen, will er Konkurs anmelden. „Es hat in der Tat Gespräche mit dem Betriebsrat gegeben“, bestätigt NOVATOME Generaldirektor Jean Villeneuve im Gespräch mit der taz, „wo wir uns die Frage gestellt haben, was passieren würde, wenn wir die Verluste nicht aufholten. Am Ende muß man sicher Konkurs anmelden. Aber das passiert nicht in fünf Minuten. Im Moment geht es darum, sich mit dem Kunden zu verständigen.
„Der Kunde heißt NERSA. Deren Vorstandsvorsitzender Mergui: „NERSA ist heute nicht bereit, Superphenix zu übernehmen. Wir führen Gespräche mit NOVATOME. Es handelt sich um ein schwieriges Problem, das entweder auf ein Arrangement oder auf einen Prozeß hinausläuft.“ NOVATOMEs Abstieg hat längst begonnen. Von 800 Angestellten im Januar 1985 sind heute 280 Personen übrig geblieben. Expertenteams wurden auseinandergerissen, ganze Abteilungen sind verschwunden und die Konzeptionsstudien für einen Nachfolgereaktor wurden um die Hälfte reduziert. Eine Firma lebt den Untergang eines Konzepts – des sogenannten Brutreaktors.
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