: „In der Wüste bewährt“
Die Deutschen sind Entsorgungs- Weltmeister. „Kein Land hat ein so abgerundetes Entsorgungskonzept wie die Bundesrepublik“, schwärmt die Branchenzeitschrift Atomwirtschaft. Schon im Entsorgungsbericht 1977 wurden die Anstrengungen der Bundesdeutschen als „weltweit führend“ gelobt.
Ein weltweiter Vergleich macht jedoch deutlich, daß Spitzenpositionen nicht zu vergeben sind. Alle Konzepte sind gleich. Ein halbes Jahrhundert nach der ersten Atomspaltung existiert auf dem gesamten Globus noch immer kein Endlager für hochradioaktive Abfälle. Auf dem Kraftwerksgelände der AKWs werden die hochgefährlichen Abfälle gelagert, sammelt sich in den WAAs oder in provisorischen Zwischenlagern ein radioaktives Inventar, das Hunderten und Tausenden von Hiroshima-Bomben entspricht. Weltweit waren Ende des letzten Jahres 403 Atomkraftwerke im Betrieb mit einer leistung von 300.000 Megawatt. Ein eiziges AKW (1.300 MW) „produziert“ im Jahr etwa 1.000 Faß schwach aktiver Abfälle und 30 Tonnen abgebrannter hochaktiver Brennelemente. Rund 200 AKWs müssen in den nächsten 20 Jahren komplett abgerissen werden. Wohin?
Frankreich:
Der westliche Nachbar besitzt „große Erfahrungen“ in der Beseitigung von leicht- und mittelaktiven Abfällen. Sie werden schon seit 1969 nahe der Atlantik-Küste in Centre de la Manche „oberflächennah“ vergraben, also in Fässer und Container verpackt und in sogenannten Grabhügeln beerdigt. Auf diese verblüffend einfache und kostensparende Art und Weise sind inzwischen 300.000 Kubikmeter radioaktiver Abfälle verschwunden. Zivile und militärische Abfälle wurden in diesem radioaktiven Massengrab gemeinsam verscharrt. 1990 wird diese Endlagerstätte erschöpft sein. In einer landesweiten Untersuchung wurde deshalb bereits nach Alternativen gesucht. Die Wahl fiel auf Soulaines (Department Aube). Die Art und Weise der Vergrabung soll beibehalten werden, sie habe sich bewährt.
Was die hochaktiven Abfälle angeht, haben sich die Franzosen bis heute nicht einmal über die geologische Formation geeinigt, die für eine Endlägerstätte geeignet wäre. Granitgestein wird zwar favorisiert, aber auch Schiefer, Steinsalz und Lehm wird weiter untersucht.
USA:
Das einfache oberflächennahe Vergraben von Atommüll wird auch von den USA praktiziert. In Beatty/Nevada, Richland/Washington und Barnwell/ South-Carolina wird leicht- und mittelaktiver Müll untergepflügt. Bis zum 1. Januar dieses Jahres sollte darüber hinaus jeder Bundesstaat eine eigene Lagerstätte für leicht aktive Abfälle benennen. Neben den zivilen gibt es noch sechs militärische Endlagerstätten. Auch hier wird aber nur leicht- und mittelaktiver Müll auf französische Art beerdigt.
Zurückgezogen haben sich die USA aus den Forschungen für ein Atommüllager unter dem Ozean. Für hochaktive Abfälle – auch hier gibt es lediglich Pläne – sind statt dessen drei unterirdische Standorte als Endlager vorgeschlagen und von Reagan bestätigt worden: Hanford/Washington (zugleich Atombombenschmiede), Deaf Smith/Texas und Yucca Mountain/Nevada. Die drei Standorte besitzen völlig unterschiedliche geologische Formationen (Basalt, Salz, Tuff-Gestein). Der endgültige Standort wird noch erforscht. Ein überirdisches Pilot-Endlager in Carlsbad/ New Mexico erhielt bisher keine Genehmigung zur Einlagerung.
Sowjetunion:
Über die Entsorgung der Sowjetunion gibt es nur wenige Angaben. Die DDR-Autoren Fratscher/Felke schreiben im „Lehrbuch der Kernenergie“ lapidar, daß sich „das Vergraben von Abfällen in Wüstengegenden bewährt“ habe. Bei hochaktiven Abfällen befindet sich die Sowjetunion in guter Gesellschaft. Auch sie forscht und experimentiert in unterschiedlichen geologischen Formationen. Der Grünen-Delegation wurde bei ihrer Moskau- Reise im November erklärt, daß die hochaktiven Abfälle in den AKWs lagern. Nach wie vor ungeklärt ist die vor allem von Medwedjew berichtete Explosion in einem sowjetischen Zwischenlager 1958, die ein Gebiet von über 100 qkm unbewohnbar machte.
Neben diesen drei großen Nuklearmächten besitzen auch alle „kleineren“ Nationen keine Endlagerstätten. In Schweden befindet sich ein Endlager bei Forsmark im Bau. 60 Meter unter dem Meeresgrund der Ostsee soll hier leicht- und mittelaktiver Müll vergraben werden. Für hochaktive Abfälle gibt es noch keinen Standort. In Kooperation mit den USA, Japan, Großbritannien, Finnland, Frankreich, Spanien und der Schweiz forschen die Schweden in einer früheren Eisenerz-Mine.
Weltweit nicht mehr verfolgt werden die Pläne, Atommüll ins All zu schießen. Und auch die bis 1983 „so erfolgreich praktizierte“ Meeres-Versenkung von Atomabfällen wird, so das Magazin Kerntechnik, von europäischen und amerikanischen Staaten nicht mehr aufgenommen. Manfred Kriener
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