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Die Entsorgungs-Weltmeister

■ Die Atomwirtschaft hat den Brennstoff-Kreislauf geschlossen – auf dem Papier

Nach „langjährigen Untersuchungen“, schreibt der Leiter der Abteilung Sicherstellung und Endlagerung der Physikalisch Technischen Bundesanstalt, Professor Röthemeyer im Jahrbuch der Atomwirtschaft 1987 „steht die Endlagertechnik auf einem festen Fundament.“ Entsprechend ungebrochen optimistisch lesen sich über Jahrzehnte die Entsorgungsberichte wechselnder Bundesregierungen: Das „Entsorgungskonzept“ habe sich bewährt, der „Zeitrahmen für die Verwirklichung“ sei „in allen Punkten eingehalten“, und überhaupt bestehe „kein Zweifel, daß entsprechende Nachweise auch in Zukunft erbracht werden“.

Heute erweisen sich derartige Papiere als die beständigste Komponente beim Versuch, der vom Atomgesetz geforderten, „sachgerechten und sicheren Verbringung“ des bei der Atomstromnutzung anfallenden Müllbergs Herr zu werden. Auch Reaktorminister Töpfer will, wie der gestern vorgelegte Entsorgungsbericht 87 deutlich macht, an den „Bausteinen des Entsorgungskonzepts“ nicht rütteln, während die realen Atommüllhalden wachsen. Fast 200.000 Kubikmeter schwach- und mittelaktiver Müll werden sich bis zur Jahrtausendwende angesammelt haben.

Aber das aktuelle Problem ist nicht das brisanteste. Vollkommen ungelöst ist vor allem die sichere Lagerung der hochaktiven abgebrannten Brennelemente und der Rückstände aus der Wiederaufarbeitung, die derzeit noch in Frankreich und England durchgeführt wird. Über 10.000 Tonnen abgebrannter Brennelemente werden nach Töpfers „Entsorgungsbericht“ im Jahr 2000 auf ihre sichere Beseitigung warten. Sie sollen zunächst in den umstrittenen Zwischen-Zwischenlagern, den sogenannten Kompaktlagern, innerhalb der Atomkraftwerke, dann in den Zwischenla gern Ahaus und Gorleben sowie im Brennelemente-Eingangslager in Wackersdorf verschwinden. Als Endlager soll um das Jahr 2000 der Salzstock Gorleben zur Verfügung stehen.

Dem Spiegel hat Töpfer letzte Woche anvertraut, er sei „bedrückt“ angesichts der ungelösten Endlagerfrage. Ein Blick auf die konkreten Projekte erhellt, warum der Bundesumweltminister sich auf dem „festen Fundament der Endlagertechnik“ neuerdings nur noch knieweich bewegt.

Schacht Konrad:

Das 1976 stillgelegte Erzbergwerk sollte in diesem Jahr in Betrieb gehen. 95 Prozent des deutschen Atommülls sollen hier ihre letzte Ruhestätte finden, vorerst jedoch nur auf dem Papier. Die Eignungsuntersuchungen wurden in zentralen Bereichen so fehlerhaft ausgeführt, daß der niedersächsische Umweltminister Remmers die Berechnungen der radioaktiven Ausbreitung und den „weltweit erstmalig erbrachten Sicherheitsnachweis“ zurückwies. Jetzt wird neu gerechnet. Obwohl der Schacht bis heute nicht einmal planfestgestellt ist, diente er schon im Dezember 1981 als Entsorgungsnachweis. Das AKW Grafenrheinfeld ging damals in Betrieb, weil es „nachweisen“ konnte, daß seine atomaren Abfälle im Schacht entsorgt werden.

Nach Töpfers Entsorgungsbericht soll der Schacht „Anfang der 90er Jahre“ in Betrieb gehen. Die vorsichtige Formulierung läßt Böses ahnen. Das Öko-Institut Darmstadt rechnet „garantiert nicht vor 1995“ (Entsorgungsfachmann Bernhard Fischer) mit der Inbetriebnahme. Gorleben: Mit dem tödlichen Unfall am 3. Juni 1987 und dem Beinahe-Einsturz des Erkundungsschachtes mußten auch die Endlager-Träume in Gorleben für dieses Jahrtausend begraben werden. Wie und wann es mit der Erkundung des Salzstocks weitergeht, weiß im Augenblick niemand. Die Abteuf-Arbeiten ruhen, Staatsanwälte und Statiker ermitteln. Das Jahr 2000 wird vom Umweltministerium als vorgesehenes Jahr der Inbetriebnahme genannt. Doch die erheblichen geologischen Probleme, die auch vom – geschaßten – Gutachter der Bundesregierung, Prof. Duphorn, benannt worden waren, machen das Projekt zunehmend fragwürdiger. Die gutachterlich mehrfach festgestellte Nichteignung des Salzstocks zeigt jetzt ihr bergmännisches Gesicht.

Zwischenlager und WAA:

Das Zwischenlager in Gorleben ist zwar betriebsbereit, aber die anhängige Verfassungsklage steht einer Einlagerung entgegen. Noch hat Karlsruhe nicht entschieden, ob Zwischenlager überhaupt zulässig sind. Diese Klage betrifft auch das Zwischenlager Ahaus. Das weitgehend fertiggestellte Lager ist außerdem durch andere Klagen noch gestoppt. Das dritte Zwischenlager wurde soeben in Wackersdorf als Eingangslager der WAA im Rohbau fertiggestellt, obwohl es für die WAA noch immer keine atomrechtliche Genehmigung gibt. In Töpfers Bericht dient die WAA dennoch als Entsorgungsbaustein, weil in ihr Teile der abgebrannten Brennelemente bearbeitet werden. Das Volumen des später endzulagernden Mülls vergrößert sich jedoch bei der Verarbeitung der Brennelemente.

La Hague:

Wichtigster Entsorgungspfad für hochaktiven Atommüll ist der Plutonium-Supermarkt in der Bretagne. Hier lagern die abgebrannten Brennelemente der meisten deutschen AKWs. Nach den Verträgen ist Frankreich berechtigt, den nach der Wiederaufarbeitung angefallenen Atommüll in die BRD zurückzuliefern: etwa 100 Kubikmeter verglaste, hochaktive Abfälle. Manfred Kriener/ Gerd Rosenkranz

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