: Gegen die Umweltverschmutzung im ewigen Eis
■ Greenpeace startet an diesem Wochenende die teuerste Aktion seiner Geschichte / In der Antarktis den Umweltverschmutzern auf die Finger treten / Öl und Müll belasten schon jetzt die Antarktis schwer
Lyttelton (taz) – Im Hafen von Lyttelton auf Neuseelands Südinsel liegt die „MV Greenpeace“, um an diesem Wochenende in Richtung Antarktis auszulaufen. Vier Leute werden dort nach gut zwei Wochen Fahrt abgeladen und bleiben in der eigenen Greenpeace-Station ein volles Jahr im Eis. Eine davon ist Dr. Sabine Schmidt, Geologin aus Tübingen. Bernd Müllender sprach mit ihr vor Ort.
taz: Ihr wart Anfang Januar schon einmal ausgelaufen, seid aber einen Tag später wieder zurückgekommen: Motorschaden. Hattet ihr französische Geheimagenten im Maschinenraum?
Sabine Schmidt: Nein, natürlich nicht. Wir haben Probleme mit einem Kolben. Das wird bis zum Wochenende repariert sein, damit haben wir nur eine Woche Verzögerung. Und um durchs Sommereis zu kommen, haben wir Zeit bis Ende Februar.
Aber bei allen Schwierigkeiten, die ihr ausgerechnet immer in Neuseeland habt, besitzt Greenpeace hier doch eine unglaubliche Popularität.
Den Eindruck habe ich auch. Ich merke das ständig. Als ich hier das wissenschaftliche Programm vorbereitet habe, war die Unterstützung an allen Unis hier wirklich groß, ich bekam alle Schlüssel für die Labors und vieles geschenkt und alle nur denkbare Hilfe. Greenpeace ist hier viel bekannter als bei uns, sicher auch durch die Vorfälle 1985 in Auckland mit der Rainbow Warrier.
Und das alles, obwohl eure Expedition in die Antarktis gar nicht einmal so spektakulär zu sein scheint?
Das scheint so. Aber es ist schon eine Aktion, die genauer Vorbereitung bedarf bis ins Detail. Unser Hauptaspekt ist, daß wir dort unten verschiedene Stationen besuchen, daß Greenpeace da präsent ist und an die Weltöffentlichkeit bringt, was da vorgeht. Die Franzosen zum Beispiel haben da vor zwei Jahren eine Insel gesprengt, nur um eine Landebahn zu bauen. Sie sagen dir ganz freundlich, alles diene wissenschaftlichen Zwecken, sie wollten dort eine Pinguinkolonie beobachten. Jetzt haben sie die Pinguine erst mal getötet und vertrieben durch die Sprengung. Unser übergeordnetes Ziel ist es, daß die Antarktis zum Weltpark erklärt wird: keine militärischen Aktivitäten, keine Waffenstationierungen, daß keine Bodenschätze mehr abgebaut werden, vor allem nicht nach Öl gebohrt, und daß alle wissenschaftlichen Aktivitäten auf wissenschaftliche Zwecke beschränkt werden. Gerade jetzt haben wir gehört, daß auf der amerikanischen Station in McMurdo, wo im Sommer immerhin rund 1.000 Leute sind, Öl ausgelaufen ist, weil Tanks übergelaufen sind.
Woher wißt ihr das?
Von den Amerikanern selbst nicht, das Navy-Personal kümmert sich doch um sowas nicht. Wir haben das von Neuseeländern gehört, die gerade mal bei den Amerikanern waren. Zu denen sind unsere Kontakte ganz gut. Wir werden uns das Recht nehmen und da hingehen und Wasser- und Bodenproben vornehmen.
Wie muß man sich das vorstellen, da einfach hingehen?
Ganz einfach, mit dem Hubschrauber hinfliegen. Da unten gibt es laut Antarktisvertrag keine Territorialansprüche. Da kündigt man sich an und kommt, da können die nichts machen.
Es stand hier in der Zeitung, ihr wollt Müll von da unten mitbringen?
Die Amerikaner haben unser Angebot abgelehnt, die sagen, sie hätten ihre eigenen Kapazitäten. Die haben das wohl nicht nötig, nur fragt man sich da, warum der ganze Müll auf McMurdo herumliegt. Die Neuseeländer waren zu einem gewissen Grad an unserem Vorschlag interessiert.
Aber es ist doch nicht Aufgabe von Greenpeace, Müllmann im Eis zu spielen?
Nein, sicher nicht. Aber wenn mal ein Schiff dahinfährt und hat Laderaum, dann ist so ein Angebot selbstverständlich. Dabei bleibt die Forderung ja bestehen, keinen Müll zu produzieren und wegzuschaffen, was jeder dort hinschafft.
Was ist speziell deine wissenschaftliche Aufgabe ?
Ein großes Programm: Messungen in Süßwasserseen vornehmen, Temperatur, Salz- und Nährstoffgehalt messen, meteorologische Untersuchungen. Und auch Planktonproben nehmen und Fische fangen. Das Problem dabei ist nur, du mußt Löcher ins Eis bohren, und ich weiß nicht, wie lange ich das bei 50 Grad Minus schaffe.
Wir werden astronomische Beobachtungen machen und im Winter können wir in wochenlanger Nacht lange unsere Untersuchungen durchführen. Wir haben ja den Vorteil, wir sind ein ganzes Jahr da. Andere Wissenschaftler sind oft nur ein paar Wochen im Sommer da unten. Greenpeace will ein komplettes wissenschaftliches Programm laufen haben, weil das eine Bedingung ist, bei den Antarktiskonferenzen wenigstens Beobachtungsstatus zu bekommen, damit wir da unsere Statements abgeben können und Informationen bekommen.
Ist das Ökosystem denn wirklich so sensibel da unten, viel mehr noch als in unseren Breitengraden?
Ja, sicher, vor allem durch die niedrige Temperatur. Es werden ja schon Probebohrungen nach Öl gemacht. Wenn da im Winter nur ein Ventil bricht, dann kannst du über Monate nichts machen, da wird dann monatelang das Öl auslaufen. Und das Südpolarmeer ist nicht in der Lage, sich selbst zu regenerieren, so etwas biologisch abzubauen. Wenn wir mit dem Schiff hinfahren, machen wir ja auch Dreck. Deshalb haben wir einen Windgenerator und Solaranlagen mit, um selbst weniger Brennstoff zu verbrauchen. Vor allem wollen wir da Wasser- und Bodenproben ziehen, wo Menschen sind, um festzustellen, welche Schweinereien da schon gemacht worden sind. Chlorierte Kohlenwasserstoffe werden wir nachweisen und andere Verschmutzungen, dazu haben uns schwedische Wissenschaftler neue Geräte zur Verfügung gestellt.
Was kostet die ganze Expedition?
Die genaue Summe weiß ich nicht. Nur, daß es die teuerste Expedition ist, die es von Greenpeace je gab. Die Gruppe, die letzten Winter da war, hat allein für 30.000 Dollar telefoniert.
Vielleicht auch Frusttelefonate? Hast du keine Angst vor einem Jahr im Eis?
Ach, wir werden uns schon vertragen. Sicher wirds Probleme geben, aber es gibt richtige Stundenpläne für unsere Arbeit, da wird keine Langeweile aufkommen. Und ich freue mich, auch einmal mit Skiern und Schlitten unterwegs zu sein.
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