: Minister lobt Journalisten als Spitzel
■ Der niedersächsische Innenminister Hasselmann freut sich über Journalisten als Informanten für den Verfassungsschutz / „Nicht unmoralisch, sondern lobenswert“ / VS–Chef: Noch mehr sollten für uns arbeiten
Aus Hannover Jürgen Voges
Weder „unmoralisch, noch verurteilungswürdig“, sondern „lobenswert“ ist für Niedersachsens Innenminister Hasselmann die Tatsache, daß niedersächsische Journalisten gegen Entgelt dem Verfassungsschutz des Landes Informationen liefern. Der Chef des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, Joachim Bautsch, bezeichnete auf der gleichen Pressekonferenz „Journalisten“ als „besonders gute Gelegenheitsinformanten“, und fügte hinzu: „Wir würden uns daher wünschen, wenn noch mehr Journalisten mit uns zusammenarbeiten würden.“ Nach Aussage von Bautsch ste hen niedersächsische Journalisten sowohl als bezahlte Informanten, als auch als V–Leute im Dienst seines Hauses. Aufgabe dieser Journalisten sei es in der Regel, für den Verfassungsschutz relevante Informationen weiterzugeben, die sie am Rande ihrer beruflichen Tätigkeit erfahren hätten. Für Redaktionsinterna interessiere sich der Verfassungsschutz nur, wenn das entsprechende Medium von einer verfassungsfeindlichen Organisation beherrscht werde. Auch Dossiers über einzelne Journalisten existieren offenbar beim Niedersächsischen Verfassungsschutz. Bekannt geworden war die Existenz solcher Dossiers erstmals anläßlich des Besuches von Ronald Reagan in Bergen–Belsen. Damals war unter anderen mit Hinweis auf „Erkenntnisse eines niedersächsischen Dienstes“ zwei Mitarbeitern eines Pressebüros die Akreditierung verweigert worden. Der in einem Brief des niedersächsischen FDP–Landtagsabgeordneten Rudolf Fischer genannten Zahl von zwölf hannoverschen Journalisten auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes widersprach Bautsch. Diese Zahl sei „wesentlich zu hoch gegriffen“. Weder Hasselmann noch Bautsch sahen in der Praxis des Verfassungsschutzes einen Widerspruch zum „Grundrecht auf Pressefreiheit“ oder zum Niedersächsischen Pressegesetz. Auf die Frage, ob Journalisten nicht in ihrer Berufsausübung behindert würden, wenn kein Informant sicher sein könne, daß Vertrauliches nicht an den Verfassungsschutz weitergegeben würde, erklärte Bautsch: „Das scheint mir ein Problem der Journalisten zu sein“. Protest haben die Äußerungen von Bautsch inzwischen bei den beiden größten Journalistengewerkschaften, dem DJV und der DJU, ausgelöst. Die Aufforderung von Bautsch an die Presse zur Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, betonte ein Sprecher des DJU–Bundesvorstandes. Foto: H.P. Stiebung/Zenit
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