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„Wer sind die Hintermänner?“

■ Zurückhaltend bis heftig sind die Stellungnahmen der Politiker zu Urangate Die konservative FAZ fragt nach den Hintermännern

Bundeskanzler Kohl sieht wegen des Hanauer Urangate keinen Anlaß für eine Grundsatzdebatte über die Atomenergie. Er warnte vor einer „Vorverurteilung“, forderte bessere Kontrollen und bezeichnete die „Vorgänge“ als „kriminell“, falls sie sich bestätigen sollten.

Der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß warnte gegenüber Radio Bremen „diese Nation“ davor, daß sie sich „allmählich kaputtredet und kaputtschreibt“. Der CSU-Parteichef: „Wir Deutsche sollen uns nicht gleich von vornherein wieder im Mittelpunkt einer Katastrophe sehen und düstere Weltuntergangsvisionen predigen.“ Seine alte Position zum Atomwaffensperrvertrag (Strauß war gegen die Unterzeichnung) verteidigte er: „Ich bin nach wie vor der Meinung, daß es Überheblichkeit der Amerikaner und Russen wäre, den Rest der Menschheit dadurch zu beherrschen, daß sie für sich ein (Atom-)Monopol beanspruchen.“

Das deutsche Atomforum nannte den Schaden durch den Hanauer Skandal „schlimmer als den von Tschernobyl“.

FDP-Vize Baum fordert eine „neue Grundsatzdebatte“ über die Atomenergie, deren Risiken auf Dauer nicht beherrschbar seien. Baum sprach pflaumenweich von der Notwendigkeit, über den Verzicht der WAA in Wackersdorf nachzudenken und forderte „langfristig“ den Ausstieg aus der Atomenergie.

Das Wickert-Institut hat ermittelt, daß 91 Prozent aller Deutschen die Kontrollen im Atom-Bereich für uneffizient und zu lasch halten. 88 Prozent der Befragten halten es für möglich, daß die Hanauer Firmen atomwaffentaugliches Material an Libyen und/oder Pakistan geliefert haben.

SPD-Rechtsaußen Rappe verlangte mit völlig neuen Tönen, „jetzt so schnell wie möglich“ aus der Atomenergie auszusteigen. Die Bundesregierung müsse ihre Forschungsmittel für Alternativ-Energien erhöhen.

Konservative Zeitungen wie Welt und FAZ beklagen das „erschütterte Vertrauen in die Atomenergie“ und sehen die Branche in einer „Glaubwürdigkeitskrise (Welt). Die FAZ spricht vom „schlimmen Verdacht“ der Proliferation und geißelt nachhaltig „korrupten Mülltourismus, Korruptionssumpf, Verantwortungslosigkeit und Manipulationen“ bei NUKEM. Kein Wort der Kritik an Übertreibungen, Vorverurteilungen und unbelegbaren Verdachtsmomenten. Statt dessen fragt die FAZ wörtlich: „Wer sind die Hintermänner, wer hat die Kontrollen des Atomwaffensperrvertrags durchbrochen und das waffenfähige Material gesammelt?“

Ministerpräsident Späth (CDU) hat die Hanauer Vorgänge als „katastrophale Sauerei“ bezeichnet. Baden-Württemberg habe als einziges Bundesland den Einstieg in den Ausstieg geschafft, weil es beschlossen habe, auf weiteren Zubau von Reaktoren zu verzichten. –man-

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