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Schewardnadse tadelt Cocom–Liste

■ Der sowjetische Außenminister spricht sich in Bonn für Lockerung der Handelsbeschränkungen mit High–Tech–Gütern aus / Perestroika im Westen gefordert / Deutsche Firmen sollen investieren

Bonn (afp) - Einen Appell zu verstärkter internationaler wirtschaftlicher Zusammenarbeit hat der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse am Montag an Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft gerichtet. Nach Gesprächen mit Bundesaußenminister Genscher und Bundespräsident Richard von Weizsäcker, war Schewardnadse am Vormittag Gast des Ost–Ausschusses der Deutschen Wirtschaft beim Industrie und Handelstag in Bonn. In einem kurzen Grußwort fand der Vorsitzende dieser Vereinigung, Otto Wolff von Amerongen, positive Worte für den „Moskauer Kurs der Öffnung und Modernisierung“ und schloß die Hoffnung an, daß der deutsch–sowjetische Handel nach zwei Jahren rückläufiger Entwicklung nun die „Talsohle“ hinter sich habe. Schewardnadse seinerseits sprach sich für eine Lockerung der Cocom– Liste aus. Schewardnadse würdigte vor den Industrievertretern die historisch positiven deutsch–sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen, denen auch im gegenwärtigen weltpolitischen Kontext „Priorität“ zukomme. Die Regierung in Bonn rief er auf, gemeinsam mit Moskau durch eine enge ökonomische Kooperation die Voraussetzung für den „Ausbau des gesamteuropäischen“ Hauses zu schaffen. „Die Wirtschaft ist zur Politik Nummer Eins geworden“, sagte der sowjetische Außenminister. Er gebrauchte in seiner 40minütigen Rede mehrfach den Begriff „Perestroika“ die im wirtschaftlichen Leben der Sowjetunion derzeit vollzogen werde. Zwar gebe es noch „viel Bürokratie“, doch finde gegenwärtig eine „Revolution im Bewußtsein“ der Sowjetbürger statt. Schewardnadse rief deutsche Firmen dazu auf, verstärkt in der Sowjetunion zu investieren. Die zur Zeit bestehenden 20 Gemeinschaftsunternehmen mit dem Westen dürften nur ein Anfang sein. Gerade in den Bereichen Maschinenbau und Landwirtschaft sehe er gute bilaterale Entwicklungsmöglichkeiten, doch auch Sektoren wie Computertechnologie und Raumfahrt sollten nicht ausgeklammert werden, betonte Schewardnadse. In diesem Zusammenhang fand er kritische Worte für die sogenannte Cocom–Liste, die den Export von militärisch zu nutzender Hochtechnologie in Staaten des Warschauer Pakts untersagt: Nicht weniger als 20 „große Geschäfte“ mit westlichen Firmen seien in den letzten Jahren an dieser Regelung gescheitert, so der sowjetische Außenminister. Er rufe den Westen daher auf, seinerseits eine „Perestroika“ vorzunehmen und den Handel zu öffnen. Als eines der Felder, auf denen die Kooperation mit der Sowjetunion sich als sehr „attraktiv“ erweisen könnte, sehe er Trägerraketen sowie die Computerindustrie an.

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