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„Schrumpfungsprozeß irreversibel“

ZIM – ein neues Programm fürs Revier, von dem viel zu viel erwartet wird / IGM: Innovationsträgheit  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

„Von 1980 bis zum Jahr 1986 wurden im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung rund 4.000 Vorhaben mit einem Investitionsvorhaben von rund 17,2 Mrd. DM gefördert... Nach Angaben der Antragsteller wurden im Rahmen der geförderten Maßnahmen rund 63.000 Arbeitsplätze neu geschaffen und rund 32.000 Arbeitsplätze gesichert.“ So lautet die stolze Bilanz der regionalen Wirtschaftsförderung, die die Rau-Regierung in einer 152-seitigen Dokumentation über die Regierungsaktivitäten jüngst veröffentlichte. An direkten Investitionszuschüssen hat die Landeskasse in dem angegebenen Zeitraum 932 Mio. DM beigesteuert. Was diese Ausgaben tatsächlich bewirkt haben, läßt sich kaum beziffern. Nur so viel ist gewiß: Die Forderung nach milliardenschweren Programmen hat noch jede Krise begleitet.

Die aktuelle Stahlkrise bildet da keine Ausnahme. Das neue sozialdemokratische Kind heißt „Zukunftsinitiative Montanregionen“ (ZIM). Es steht in der Tradition einer Vielzahl von Förderprogrammen, von denen hier nur einige aufgezählt werden sollen. Dem „Entwicklungsprogramm Ruhr“ (1968) und dem „Nordrhein-Westfalen-Programm“ (1970) folgten im Jahr 1979 das „Aktionsprogramm-Ruhr“ und das „Technologieprogramm Wirtschaft“. 1985 ersann die Landesregierung die „Nordrhein-Westfalen- Initiative-Zukunftstechnologien“. Jetzt also ZIM, entstanden als politische Antwort der Rau-Regierung auf die jüngste Stahlkrise. Unmittelbar ausgelöst durch die massiven Proteste der Hattinger Stahlkocher.

Zwei Mrd. Mark sollten innerhalb von vier Jahren zusätzlich in die Montanregionen gepumpt werden. Ein Drittel der Finanzierung wollte NRW, zwei Drittel sollte der Bund tragen. Unter dem Druck der Rheinhausener Proteste hat die Rau-Regierung inzwischen verlauten lassen, das „gesamte Programmvorhaben alleine abwickeln“ zu wollen, falls Bonn bei seinem Nein bleibt. Bei der CDU und FDP in Düsseldorf, die ZIM zunächst kompromißlos bekämpften, scheint sich eine andere Bewertung anzubahnen. Verantwortlich dafür ist die relativ positive Aufnahme, die ZIM bei Unternehmen, Industrie- und Handelskammern und den Politikern in den Montanregionen fand. Von den über 900 Projektanmeldungen wurden inzwischen 150 ausgesucht. Allein aus Dortmund trudelte ein Wunschzettel mit Projekten im Umfang von 500 Mio. DM ein. Duisburg will mit Hilfe von ZIM ein Technologiezentrum erweitern und zum Beispiel die Weiterqualifizierung „von Stahlarbeitern insbesondere im Bereich der Mikroelektronik“, wie vom Rheinhausener Betriebsrat gefordert, finanzieren. Welche Wirkungen ZIM auch immer nach sich ziehen mag, sicher ist, daß die gewaltigen Arbeitsplatzverluste auch nicht annähernd wettgemacht werden können.

Ein Blick auf das Dortmunder Technologiezentrum, das zu den erfolgreicheren im Bundesgebiet zählt, verdeutlicht die Dimension des Problems. Im Zentrum selbst arbeiten in 37 Unternehmen knapp 250 Mitarbeiter. Dazu kommen weitere 300 Beschäftigte in dem angeschlossenen „Technologie park“. Dagegen stehen folgende Zahlen: Allein der Stahlkonzern Hoesch hat in Dortmund in den letzten Jahren 13.000 Arbeitsplätze abgebaut. Zechenstillegungen kamen hinzu, und bei Hoesch wird mit weiteren drastischen Arbeitsplatzverlusten gerechnet. Die Arbeitslosigkeit in Dortmund beträgt inzwischen 17 Einwohnern liegt die neueste Arbeitslosenquote durchschnittlich bei 15,5 1945. Von 1978 bis 1986 hat nach einer Untersuchung von „Zenit“ allein die Stahlindustrie im Revier 100.000 Arbeitsplätze abgebaut.

Daß diese gewaltigen Arbeitsplatzverluste mit herkömmlichen Mitteln kompensiert werden könnten, glaubt in Wirklichleit niemand mehr. Michael Krummacher, linker Regionalforscher von der Bochumer Ruhr-Universität, hält den „Schrumpfungsprozeß“ für „irreversibel“. Man müsse „Abwanderungsprozesse in Kauf nehmen“.

Die Hoffnung, durch Neuansiedlungen die Arbeitsplatzverluste ausgleichen zu können, hat auch der sozialdemokratische Städtebau- und Verkehrsminister Christoph Zöpel aufgegeben. „Für alte Industriegebiete“, so Zöpel im SPD-Pressedienst, seien „industrielle Neuansiedlungen nur in geringem Maße zu erwarten.“ Das wichtigste für Zöpel: „Ohne konsequente Arbeitszeitverkürzung helfen alle anderen Anstrengungen selbst nur wenig.“

In einer Vielzahl von Studien ist inzwischen die Abkopplung des Reviers vom Bundestrend diagnostiziert worden. Die Wachstumsschwäche ist laut einer Studie der „West LB“ „in erheblichem Umfang Ergebnis ungünstiger Branchenstrukturen“. Die landeseigene Bank klagt darüber hinaus aber über das „ungünstige Innovationsklima“. Diesen Ball nehmen CDU und FDP im Lande nur allzu gern auf. Sie empfehlen dem Revier Freihandelszonen mit Abbau von Arbeitnehmerschutzrechten. Was von diesen Empfehlungen zu halten ist, hat jüngst der Chef des gesamten Klöckner-Imperiums, Jörg A. Henle, gesagt: „Es ist gar nicht so leicht, geeignete langfristig rentable Investitionsobjekte zu finden. Es ist manchmal einfacher, dafür das Geld aufzubringen.“ Im Klartext: Die großen Unternehmen haben genug Geld, allein es fehlt an Anlagemöglichkeiten. Gezielte öffentliche Programme und höhere private Kaufkraft könnten also durchaus in der privaten Wirtschaft Investitionen auslösen.

Deshalb weist ZIM auch in die richtige Richtung. Nur, mit zwei Milliarden DM wird man kaum einen nennenswerten Effekt erzielen können. In einer vom IG-Metallvorstand in Auftrag gegebenen Untersuchung wird die Abkoppelung des Reviers zwar auch „in erster Linie“ auf die Wachstumsschw eine Reihe von Indikatoren nennen. So „liegt der Anteil des für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten eingesetzte Personals um ein Drittel unter dem bundesdurchschnittlichen Wert“. Die großen Ruhrgebietsunternehmen hätten dagegen vorwiegend durch „eine Firmenzukauf-Strategie“ außerhalb des Reviers neue Bereiche erschlossen.

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