: Peace Now fordert: „Verhandelt jetzt!“
Zehntausende protestierten in Tel Aviv gegen die Besatzungspolitik der israelischen Regierung / Große Solidaritätskundgebung in Nazareth ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Zehntausende von jüdischen und palästinensischen Israelis haben am Samstag in Tel Aviv und Nazareth gegen die Regierungspolitik der „eisernen Faust“ in den besetzten Gebieten demonstriert. Unter dem Motto „Verhandlungen für eine Kompromißlösung“ hatte die Friedensbwegung Peace Now, die während des Libanon-Krieges 1982 bis zu 300.000 Menschen mobilisieren konnte, zu einem Fackelzug in Tel Aviv aufgerufen.
Jugendliche aus der Kibbutz- Bewegung der linkssozialdemokratischen Mapam und linksoppositionellen Gruppen aus verschiedenen Städten Israels, die sich in der Dachorganisation „Be endet die Besatzung“ zusammengeschlossen haben, strömten am Samstag abend auf dem Rathausplatz von Tel Aviv zusammen. Es waren zwar nicht hunderttausend Menschen, wie Peace-Now- Sprecher bekanntgaben, aber immerhin mehrere Zehntausend, die zum ersten Mal im Rahmen der aus der Versenkung wiederauferstandenen Friedensbewegung gegen die Unterdrückungsmethoden in der Westbank und dem Gaza-Streifen protestierten und zugleich das Fehlen jedweder Verhandlungsbereitschaft der Koalitionsregierung der „Nationalen Einheit“ kritisierten.
„Israels Armee ist zur Verteidigung da, nicht zur Besatzung der Westbank“, tönte es aus einem Lautsprecherwagen. Mitgeführte Plakate forderten „Zwei Staaten für zwei Völker“, auf Spruchbändern hieß es: „Die besetzten Gebiete sind eine Zeitbombe“ und „Frieden ist besser als ein Groß-Israel“. Redner warnten vor den Gefahren für die nationale Identität, falls die Regierung ihren harten Kurs fortsetze.
„Viele von uns unterstützen das Ziel der Regierung, den Status quo in Gaza und der Westbank wiederherzustellen“, meinte der Schriftsteller und Publizist Jizhar Smilanski in seinem Redebeitrag. „Aber kann man mit Schüssen und brutalem Draufschlagen die Situation wiederherstellen, wie sie vor der Revolte bestand?“
Der palästinensische Aufstand werde sich gerade angesichts der Unterdrückungspolitik ausdehnen, folgerte der Redner, und schloß mit einem Appell: „Ihr Ruf, unser Ruf nach politischen Verhandlungen zu einer Lösung des Konflikts und für Frieden kann nicht mehr zum Schweigen gebracht werden. Deshalb: Verhandelt jetzt!“
Mehrere Redner kritisierten die „Ausrede der Regierung“, es gebe keine Verhandlungspartner unter den Palästinensern. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) habe wiederholt zu Verhandlungen aufgerufen; palästinensische Gesprächspartner gebe es sowohl innerhalb als auch außerhalb der besetzten Gebiete. „Aber ich frage: Was haben wir ihnen zu bieten?“ rief Shimon Balas, der an der Universität von Haifa arabische Literatur unterrichtet, und verwies auf die in dieser Frage zerstrittene Koalition aus Arbeiterpartei und Likud-Block. Er forderte den Rücktritt der Regierung.
Der Vorsitzende des Rates der arabischen Bürgermeister in Israel, Ibrahim Nimr Hussein aus Shfaram, überbrachte der versammelten Menge eine „Solidaritätsbotschaft der gesamten arabischen Bevölkerung“ Israels. Er rief zur Einheit aller Friedenskräfte, Juden wie Araber, auf. Husein war der einzige Redner, der eine internationale Nahost-Friedenskonferenz unter der Schirmherrschaft der UNO bei Einbeziehung Israels und der PLO forderte.
Nimr Hussein kam von einer arabischen Großkundgebung in Nazareth im Norden Israels, an der zuvor 30.000 Menschen teilgenommen hatten, um ihrer Solidarität mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten Ausdruck zu verleihen. Abdul Wahab Darawshe, der einzige arabische Knessetabgeordnete der Arbeiterpartei, nutzte die Kundgebung, um aus Protest gegen die Politik von Verteidigungsminister Jitzhak Rabin seinen Parteiaustritt bekannt zu geben.
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