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Das Plutonium aus der Asche

Karlsruher Kernforschungszentrum testete brisantes Verfahren zur Gewinnung von Plutonium aus schwach- und mittelaktivem Atommüll in Mol / Nach getaner Arbeit sollen sechs Kilo Plutonium via Bundesrepublik zurück in die Schweiz / Wer Transporteur wird, bleibt offen  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) – Der Hanauer Atomskandal hat – ganz nebenbei – eine Vielzahl von schwarzen Löchern und bisher unbekannte Pfade im Brennstoffkreislauf sichtbar gemacht. Einer dieser Pfade führt zu einem neuen sogenannten Naßveraschungsverfahren, mit dem man – im übertragenden Sinn – aus Scheiße Schokolade macht: aus leicht- und mittelaktivem Atommüll wird Plutonium gewonnen. Reichlich!

„Nein, das kann nicht sein.“ Klaus Körting, Sprecher des Kernforschungszentrums Karlsruhe (KfK) kann sich nicht vorstellen, daß jene sechs Kilogramm Plutonium, die das KfK im belgischen Mol aus „Betriebsabfällen“ der Eurochemic-Wiederaufarbeitungsanlage zurückgewonnen hat, eigentlich einem Schweizer Kernforschungsinstitut gehören. Folglich weiß er auch nichts von einem bevorstehenden Rücktransport der heißen Fracht von Belgien, durch die Bundesrepublik in die Schweiz.

Doch tatsächlich soll in den nächsten Wochen genau jenes Plutonium von Mol aus auf die Reise gehen, das von ihm selbst im Sommer 1985 als „Plutonium aus der Asche“ gefeiert worden war. Mit der Zurückgewinnung von sechs Kilogramm Plutonium aus vier Kubikmetern brennbaren Betriebsabfällen habe das in Karlsruhe entwickelte Verfahren zur „Naßveraschung plutoniumhaltiger Betriebsabfälle seine heiße Bewährungsprobe bestanden“, jubelte der KfK-Mann damals.

Seit 1975 hatte man an der Entwicklung der „Naßveraschung“ gearbeitet, zunächst Versuche an kalten, nicht plutoniumhaltigen Abfällen gefahren und sich schließlich auf die Suche nach geeignetem schwach- und mittelaktivem Atommüll begeben, um die Funktionsfähigkeit der 3-Millionen-Mark-Anlage zu überprüfen. Wohl nicht zufällig wurde man in Mol in der 1974 stillgelegten Wiederaufarbeitungsanlage der früheren Eurochemic und heutigen Belgoprocess fündig. Dort lagerten jede Menge plutoniumhaltiger Abfälle aus der Dekontamination der Anlage nach ihrer Schließung. Vor allem aber blieb man im benachbarten Ausland von einem aufwendigen Genehmigungsverfahren verschont, ohne das hierzulande nichts gegangen wäre. So erklärt sich zwanglos die Tatsache, daß die Belgier für den Karlsruher Service – Recycling hochreinen Plutoniums mit sehr hohem Anreicherungsgrad an Plutoni um-239 – am Ende keinen Pfennig zu entrichten hatten. Die Anlage zur „Naßveraschung“ in Mol wurde nach Angaben der KfK inzwischen abgebaut. Aber das Verfahren zur „schadlosen Wiederverwertung“ (Körting) von Plutonium ist damit nicht verschwunden. Das Verfahren bietet erstmals die Möglichkeit, mit wenig Aufwand waffenfähiges Plutonium aus schwach- und mittelaktiven Abfällen zu gewinnen, aus jenen Abfällen also, die bis heute den ohnehin löchrigen Kontrollen der Internationalen Atomenergie- Behörde IAEO oder der Euratom nicht unterliegen. Man werde nun, hieß es 1985 in einer KfK- Mitteilung, „die erzielten Betriebserfahrungen für die Planung einer industriell einsetzbaren Anlage“ auswerten. Der Standort für die industrielle Pilotanlage steht bereits fest: Die WAA Wackersdorf. Wie in jeder „Brennelementefabrik vergleichbarer Größe“ werden dort, nach einer Schätzung der Karlsruher Atomforscher, jährlich 100 Kubikmeter schwach- und mittelaktive Betriebsabfälle mit einem „Gehalt von etwa 40 Kilogramm Plutonium“ anfallen – genug für fünf Atombomben. Die „ökologisch sinnvolle Reduzierung der Plutoniumbelastung des Endlagers“ durch „Naßveraschung“ eröffnet einen Weg zu waffentauglichem Material, ohne daß auch nur ein Gramm der schärfer kontrollierten hochaktiven Abfälle abgezweigt werden müßte. Daß die Plutonium-Gewinnung aus mittel- und schwachaktivem Müll neue Maßstäbe setzt, glaubt auch Michael Sailer vom Darmstädter Öko-Institut. Sailer: Die Anlage könne mit relativ wenig Aufwand nach Lektüre der Fachliteratur nachgebaut werden.

Bisher werden Plutonium-Anteile im schwach- und mittelaktiven Atommüll, die wegen des großen Aufwands nicht jedesmal ge messen werden können, pauschal nach Angaben des „Herstellers“ auf Treu und Glauben abgebucht. Wenn höhere Anteile enthalten sind, entzieht sich das der Kontrolle. Durch die Naßveraschung kann dieses „Mehr“ an Plutonium jetzt zurückgewonnen werden. Das Plutonium wird, so Sailer, „neu geboren“.

Nachdem in Mol das neue Verfahren seinen Test bravourös be stand, soll das dort gewonnene Plutonium jetzt in die Schweiz transportiert werden. Mit dem Transport wird ein alter Streit mit dem eidgenössischen Institut für Reaktorforschung geschlichtet. Denn die Schweizer klagen noch Plutonium-Außenstände von exakt sechs Kilogramm ein, die ihnen aus der Wiederaufbereitung in Mol Ende der sechziger Jahre „zustehen“. Aus ihren abgebrannten Brennelementen, die zehn Kilo Plutonium enthielten, hatten sie nur vier Kilo zurückerhalten. Jetzt kommt der „Rest“. Doch wer übernimmt den Transport? In der Schweiz weiß man nur eines: Der Transporteur wird nicht Transnuklear heißen.

Wann der Transfer, der entweder nur per LKW oder per LKW- Huckepack via Straße und Schiene abgewickelt werden soll, tatsächlich über die Bühne geht, steht in den Sternen. „Ich würde“, schmunzelt Rolf Randl vom Bonner Forschungsministerium „im Augenblick nicht transportieren“.

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