Point of no return

■ Kein Baustopp in Wackersdorf

Als Franz-Josef Strauß vor Jahren den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage mit dem Bau einer Fahrradspeichenfabrik gleichsetzte, irrte er. Für eine Fahrradspeichenfabrik braucht man eine Genehmigung und einen ordentlichen Bebauungsplan. Für die WAA gehts zur Not auch ohne. Das gefährlichste Industrieprojekt Deutschlands, das in fünf Jahren Betrieb ein radioaktives Inventar von einigen tausend Hiroshima-Bomben ansammelt, hat bis heute keine atomrechtliche Genehmigung und es besitzt seit vergangenem Freitag auch keinen Bebauungsplan mehr.

Trotzdem wurde in Wackersdorf bereits Richtfest gefeiert, und es wird weitergebaut. Das 200 m große Eingangslager ist im Rohbau fertig, 1,4 Milliarden Mark sind verballert. Fakten schaffen heißt die Parole der krisengeschüttelten Atomspalter. Mit abenteuerlichen Rechtskonstruktionen wird solange weitergebaut, bis der „Point of no return“ erreicht ist. Und während die bedrohten Anlieger vor Gericht um Erdbebensicherheit, Leukämieraten, Abwindfahnen und Grundwasserfließrichtungen streiten, steht der Betonklotz schon breit grinsend als unübersehbarer Sachzwang im Taxöldener Forst. Welcher Richter will dieses Projekt noch stoppen, wenn erst zwei oder drei Milliarden verbaut sind?

Ein sofortiger Baustopp ist die einzige Chance, dieses Relikt aus den Atomträumen der 60er Jahre noch aufzuhalten. Doch gerade jetzt, wo die Branche angeschlagen im Hanauer Morast steckt, wo die FDP und Teile der Energiewirtschaft und der CDU erneut über den (Un-)Sinn dieses Projekts nachdenken, setzen die Hardliner auf den Durchmarsch. Sie wissen: 1988 ist das entscheidende Jahr für den Plutonium-Supermarkt in Wackersdorf. Wenn DWK und bayerische Landesregierung in dieser Situation den Baustopp verhindern, ist die WAA nicht mehr aufzuhalten. Deshalb wird jetzt vor die Entsorgung der Brennstäbe die Entsorgung des Rechts geschaltet. Erste Stufe der Wiederaufarbeitung ist der sogenannte Salpeter-Auflöser. Darin befinden sich gegenwärtig Grundgesetz, Bau- und Atomrecht. Manfred Kriener