: Gesinnungsurteile im Radikal-Prozeß
■ OLG-Stuttgart verurteilt zu sieben und vier Monaten Haft auf Bewährung / Zwei Freisprüche
Stammheim (taz) – „Andrea K. hat die an sie adressierten Exemplare der Radikal Nr. 132 selbst vom Postamt abgeholt und weder verbrannt noch weggeworfen, sondern verteilt.“ Hinweise oder gar Beweise für diese Behauptung des 5. Strafsenats am Oberlandesgericht Stuttgart hatte es in dem viertägigen Verfahren gegen vier Empfänger der Zeitschrift zwar nicht gegeben; eine Verurteilung zu sieben Monaten Gefängnis auf Bewährung schien den Richtern gleichwohl angemessen. „Werbung für eine terroristische Vereinigung“ nannte das Gericht drei Artikel in dem Blatt, u.a. ein Bekennerschreiben der RAF zu dem Mordanschlag auf den Siemens- Manager Kurt Beckurtz sowie eine Anleitung zur Sprengstoffherstellung.
Die Beweislage ist kümmerlich: Im Sommer 1986 hatten Postbeamte festgestellt, daß ein Paket mit 20 Exemplaren des Alternativblatts Radikal Nr. 132 an Andrea K. abgesandt und auch abgeholt worden war. Ob von ihr selbst, blieb unklar. Bei einer Durchsuchung ihres Zimmers war außer älteren Exemplaren der Radikal nichts gefunden worden. Als Be weis genügte dem Gericht die vermeintliche Gesinnung der jungen Frau und ihre Erklärung zu Beginn des Prozesses: „Ein entschlossenes Fortsetzen unserer Kämpfe ist die schärfste Waffe gegen die Repression.“
Ähnlich erging es dem Angeklagten Werner L. Bei ihm aber, „einem künstlerischen Charakter“, genügten dem Gericht vier Monate Haft auf Bewährung. Zwei der Angeklagten wurden freigesprochen.
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