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Berlin als EG-Einstieg für US-Fluggesellschaften

■ Kann Airbus-Interesse von UdSSR und DDR Luftverkehr in der Stadt dynamisieren?

Berlin (dpa/vwd) – Die großen amerikanischen Fluggesellschaften nutzen Berlin als Schlupfloch zum Sprung in den europäischen Markt. Dabei locken sie nicht so sehr die Gewinnaussichten auf den innerdeutschen Flugstrecken, sondern die sonst eher hinderliche politische Lage der Stadt: Denn Berlin gehört zur EG, seine Luftkorridore stehen aber nur Gesellschaften der Westmächte offen. Dies sind ideale Voraussetzungen, um sich durch den Aufbau innereuropäischer Dienste für die Zeit ab 1992 zu rüsten, wenn der EG-Markt voll liberalisiert sein wird. Danach würde der Zutritt nach Europa schwieriger.

Mit dieser Vermutung hat jetzt die renommierte Fachzeitschrift Aviation Economist die Spekulationen um die Motive der Luftfahrtgiganten wie TWA, American Airlines, Continental Airlines und North West Airlines um eine interessante Variante bereichert. Schon British Airways (BA) hatte die Übernahme von British Caledonian mit drohender US-Konkurrenz begründet. PanAm, Air France und BA führen wöchentlich 400 Flüge von Berlin aus durch. Die Zahl würde bei Genehmigung aller vorliegenden oder angekündigten Anträge verdoppelt. Der wahrscheinlich ruinöse Wettbewerb würde besonders PanAm treffen, die letztes Jahr 2,5 Mio. Passagiere beförderte.

Die Berliner Behörden bereiten sich auf alles vor. Die Kapazität des Flughafens Tegel wird bis Herbst nächsten Jahres um 700.000 Passagiere erweitert. Im vergangenen Jahr, dem 750. Jubiläum Berlins, benutzten 5,28 Millionen Reisende (plus 14,7 Prozent) den Luftweg; 1970 – damals noch nach Tempelhof – waren es schon einmal 5,54 Millionen gewesen. Danach hatte es infolge des 1972 abgeschlossenen deutsch- deutschen Verkehrsabkommens einen Einbruch gegeben, weil sich ein großer Teil des Verkehrs auf die Landwege verlagerte, und 1976 wurden nur noch 3,9 Millionen Flugreisende gezählt. Von West-Berlin aus kann nur nach Westen geflogen werden. Senat und Bundesregierung möchten aber auch den Nord-Süd-Verkehr für Tegel erschließen.

Ein Anflug Tegels bedarf jedoch der Zustimmung der UdSSR. Sie hat beim Einflug nicht-alliierter Flugzeuge in die Berliner Kontrollzone ein Vetorecht. Auch der DDR würden bei einem Arrangement ebenfalls praktische Konzessionen, Überflugrechte außerhalb der Korridore, abverlangt. Diese dürfte sie sich nur nach handfesten Konzessionen abhandeln lassen. Das Thema Luftverkehr haben die Westmächte in ihre am 30. Dezember letzten Jahres in Moskau überreichte Berlin-Note, in der sie Verhandlungen über praktische Verbesserungen in und um Berlin vorschlagen, aufgenommen. Eine Antwort wird in alliierten Kreisen nicht vor dem Frühjahr erwartet. Bisher ist eine Änderung der restriktiven sowjetischen Position beim Luftverkehr nicht zuerkennen.

Ein Interessenausgleich scheint nicht unmöglich. Die sowjetische Aeroflot und die DDR- Interflug hätten gern den Airbus. Wegen der verschärften Lärmbestimmungen werden beide bald ihre Start- und Landeberechtigungen im Westen mit ihrem jetzigen Gerät nicht mehr nutzen können. Politisch stehen dem jedoch die die Ausfuhr strategischer Güter in den Ostblock beschränkenden COCOM-Bestimmungen und der Widerstand der Amerikaner entgegen, die zum Airbus modernste Technik beisteuern.

Der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Dankward Buwitt hat als Ausweg angeregt, die UdSSR möge doch selbst Tegel anfliegen. Dort könnten Wartung und Reparatur des Airbus erfolgen und damit die sicherheitsrelevante Technik in westlicher Hand behalten werden. Ein deutsches Luftverkehrsabkommen wäre nach einem Erfolg von Vierergesprächen der zweite Schritt. Im Rahmen eines Interessenausgleichs müßte man in Schönefeld, wo bisher der Nord-Süd-Verkehr ausländischer Gesellschaften nach Berlin ausschließlich abgewickelt wird, ein neues Verhältnis zu Tegel ins Auge fassen. Die Dumpingtarife der Interflug von Schönefeld verlieren derzeit angesichts vieler neuer Billigtarife an Gewicht.

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