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Mit Sturmhaube und Smoking zum Bauzaun

■ WAA-Fasching am Bauzaun / 5.000 großteils vermummte WAA-Gegner zogen in den Taxöldener Forst / Empörung über den Auftritt des neuen „Unterstützungskommandos der bayerischen Polizei“

Schwandorf (taz) – 5.000 überwiegend vermummte Atomkraftgegner zogen am Sonntag nachmittag an den Bauzaun der atomaren Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf. Aufgerufen zu dieser Großdemonstration hatten die WAA-Widerstandsgruppen unter dem Motto: „Atommüllsamba & Moneten“. Und dieses Motto wurde ernst genommen.

Die gegen Wind, Regen und andere Behelligungen so bewährte Sturmhaube wurde am Sonntag nachmittag im Taxöldener Forst lässig mit dem Smoking kombiniert, aus dessen Taschen Tausendmarkscheine quollen. Bei näherem Hinsehen war auf den Banknoten, die generös verteilt wurden, jedoch das breite Grinsen des bayerischen Ministerpräsidenten über einem WAA-Bier krug zu erkennen. Und wer würde dafür schon etwas verkaufen wollen? Wohl nicht einmal die Plutoniumverkäufer, die an diesem Nachmittag eifrig die Aktenkoffer schwenkend in Richtung Bauzaun eilten.

Daselbst mußten sie gewahr werden, daß aus der bunten Menge diverse Chinaböller über den Zaun auf das WAA-Gelände flogen. Was aber offenbar alles seine Richtigkeit hatte, denn selbst Helmut Kohl war dabei – wenn auch als Kopie seiner selbst. Egal, er trug zur Stimmung bei, zumal aus seiner Tasche unaufhörlich ein Lachsack dröhnte. Diesem Lachsack konnten sich auch Teile der Bereitschaftspolizei nicht entziehen und ließen sich mit dem „Herrn Bundeskanzler“ bereitwillig fürs Fernsehen ablichten. Den Aufforderungen „ihres Kanzlers“, doch anschließend nach Hause zu gehen, widersetzten sich die Beamten jedoch renitent. Zum Schutze des „Atommülltransports“, den bunt bemalte Personen in einem 30 Meter langen Plastikschlauch durchs Gelände schlängelten, blieben sie vor Ort.

Punkt 16 Uhr jedoch funkte die Einsatzleitung der Polizei in den von Sambarhythmen untermalten launigen Nachmittag und schickte des bayerischen Innenministers neue Greiftruppe, die „Unterstützungskommandos der bayerischen Polizei“ (USK), in die friedliche Menge. Eine Provokation, auf die die Oberpfälzer mit „Hau- Ruck“-Rufen und deutlichen Worten reagierten: „Gauweilers SS rückt an.“

Gleichwohl es weit und breit nichts für sie zu tun gab, zogen die starken Männer des Sonderkommandos mehrfach demonstrativ durch die versammelte Menge und führten eindrücklich ihre bemerkenswerten Spezialuniformen vor. Auf die Frage, warum sie sich freiwillig zu der Spezialeinheit gemeldet hätten, erklärten sie schlicht: „Aus ideologischer Überzeugung“. Dem Polizeipsychologen dagegen fielen die Antworten ganz und gar nicht leicht. Die Erklärung für den Auftritt der Sondertruppe blieb er der aufgebrachten Menge schuldig.

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