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Wiener Pressestimmen / Die Presse / Der Kurier / Die Kronenzeitung

Die Presse: „Die Frage, ob 50 Jahre nach 1938 wieder ein Spitzenrepräsentant des Staates anzukündigen haben werde, daß er der Gewalt weiche – diese Frage müßte erst beantwortet werden. Nach Kurt Waldheims Meinung, und der seiner Freunde, wäre es in der Tat Gewalt – nämlich die Gewalt der Medien, der in- und ausländischen, weniger die Gewalt der öffentlichen Meinung. (...) Die Waldheimgegner meinen, den Patriotismus für sich gepachtet zu haben. Unversöhnlichkeit beginnt heraufzudämmern, Haß steigt auf. (...) Ist er der Stoff, aus dem die Bürgerkriege sind? Gewiß, die Österreicher sind reif geworden und klug und wissen, was sie alles hinter sich gebracht haben. Sie werden sich dennoch zu fragen haben, ob es geraten scheint, durch den Druck der halben öffentlichen Meinung den Bundespräsidenten auch weiterhin um jeden Preis zum Amtsverzicht zu bringen. Um jeden Preis heißt: auch um den Preis der wirklichen, echten, wahren Krise. Ohne eine solche ist eine Radikallösung nicht möglich. Demnach ergibt sich nach der Rede des Bundespräsidenten nichts als ein Appell an die Vernunft. Unter Feuer, unter Druck und unter der Pression der Straße wird sich, kann sich Kurt Waldheim ganz gewiß nicht verabschieden.“

Der Kurier: „Die Rede des Bundespräsidenten zeigt, daß wir mit der Realität weiterleben müssen, wie das zur Zeit sogar (ÖVP-Obmann) Alois Mock intern formulieren soll. Die Realität bedeutet dabei einen Bundespräsidenten, der im Ausland fast alles und im Inland sehr viel Ansehen verloren hat, dies aber selbst nicht so sieht. Es ist auch nicht, wie der Präsident hofft, eine Beruhigung zu erwarten. Wie also weiter? Dazu eine nüchterne Feststellung: Wer der Mehrheit der Österreicher einen Rücktritt des Bundespräsidenten erträglich machen will, der muß eine Alternative, eine Lösung für die Zeit danach zu bieten haben. Sehr viele, die gegen einen Rücktritt sind, sind dies wohl eher aus prinzipiellen Überlegungen, nicht wegen der Person Waldheim. Aber ohne Zukunftsperspektive werden die meisten doch mit der jetzigen Realität weiterleben wollen.“

Die Kronenzeitung (zur Rücktrittsmeldung von Bundeskanzler Vranitzky): Es ist zwar menschlich verständlich, daß Bundeskanzler Vranizky allmählich an einem Waldheim- Syndrom zu leiden beginnt, aber das Amt eines Bundeskanzlers ist eine Bürde, die Kraft und Durchsetzungsvermögen erfordert. Einer, der das Handtuch werfen will, weil ihm der Wind zu heftig aus einer ganz bestimmten Richtung ins Gesicht bläst, verrät dadurch nur seine eigene Schwäche.

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