PORTRAIT: Zyperns neuer Präsident
Georgios Vassiliou wurde am Sonntag mit knapp 52 Prozent der Stimmen zum neuen Staats- und Regierungschef der Republik Zypern gewählt ■ Von Klaus Hillenbrand
Der von der kommunistisch orientierten Fortschrittspartei des Werktätigen Volkes (AKEL) unterstützte Georgios Vassiliou ist am Montag zum Sieger der Präsidentenwahlen in Zypern erklärt worden. Wie der Wahlausschußvorsitzende in Nikosia bekanntgab, entfielen auf den 56jährigen Geschäftsmann bei der Stichwahl am Sonntag 167.834 oder 51,63 Prozent der Stimmen. Sein Gegenkandidat Glavkos Klerides von der konservativen Demokratischen Sammlung erhielt rund 10.000 Stimmen weniger und unterlg mit 48,37 Prozent. Vassiliou wird am kommenden Sonntag in sein Amt eingeführt.
Der Führer des türkischen Teils der Insel, Rauf Denktasch, hat sich inzwischen bereiterklärt, mit dem neuen Präsidenten die seit drei Jahren unterbrochenen Gespräche um eine Zukunftslösung für die Mittelmeerinsel wiederaufzunehmen. Ergum Balci, außenpolitischer Kommentator der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet, erwartet nach der Wahl zunehmenden Druck der USA auf die türkische Regierung: Kompromißbereitschaft wird verlangt.
In der Türkei kursieren Gerüchte, daß ein Abzug von zunächst 8.000 türkischen Soldaten geplant sei, um Goodwill zu demonstrieren.
Politik war bisher nicht seine Stärke. Georgios Vassiliou steht eher für das zypern-griechische „Wirtschaftswunder“ nach dem Krieg von 1974. Der 56jährige Pfund-Millionär und Wirtschaftswissenschaftler ist Besitzer dreier Management-Consulting-Firmen, darunter das „Middle East Marketing Research Bureau“ mit Niederlassungen in elf Ländern und rund 250 Angestellten. Vassiliou spricht sechs Sprachen und bezeichnet sich selbst als „bibliophil“. Mit seiner Kandidatur als Unabhängiger mit Unterstützung der kommunistischen AKEL kehrte der Manager zur Familientradition zurück. Denn seine Eltern, wohlhabende Ärzte, gehörten zu den Gründungsmitgliedern der AKEL.
„Die Wende“, mit der Vassiliou in den Wahlkampf zog, wird freilich nicht in Richtung Sozialismus führen. Selbst die ultra-orthodoxe KP Zyperns hat die Einführung der klassenlosen Gesellschaft auf ultimo verschoben. Der neue Präsident wird aus Zypern erst recht kein „Kuba im Mittelmeer“ (so die alten Ängste der USA) machen oder gar seine Firmen der Arbeiterklasse übereignen.
Vassiliou ist für eine Zollunion mit der EG (im Gegensatz zu AKEL) und gegen einen ungehemmten Ausbau der die Insel zerstörenden Tourismus- Industrie. Den Inlandsbereich des Geheimdienstes KYP will er schon in den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft abschaffen, die staatliche Kontrolle über Rundfunk und Fernsehen abbauen und Verhandlungen mit den Zypern-Türken über die Zukunft der Insel einleiten.
Alles in allem: ein aufrechter Liberaler, wie er sonst nur selten zu finden ist.
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