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Österreich im Rücktrittsfieber

■ SPÖ-Chef Sinowatz will zurücktreten, wenn der Bundespräsident geht / ÖVP will Waldheim „nicht bis zur Selbstaufgabe“ stützen / Anti-Waldheim-Demonstrationen in Salzburg und Wien

Wien (rtr/afp/dpa) – Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei Österreichs, Fred Sinowatz, hat am Samstag seinen Rücktritt angeboten, wenn dadurch auch Bun despräsident Waldheim zum Rücktritt von seinem Amt zu bewegen sei. Sinowatz erklärte in einem Rundfunkinterview, er sei grundsätzlich zum Rücktritt bereit, wenn dies „im Staatsinteresse“ liege. Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) hat in den letzten Tagen wiederholt gefordert, sozialistische Politiker sollten ihre Ämter niederlegen, wenn ihr Name im Zusammenhang mit Skandalen genannt werde. Sinowatz war im Rahmen illegaler Waffenlieferungen verstaatlichter österreichischer Unternehmen an den Iran in den Verdacht der Mitwisserschaft geraten.

„Diese Beschuldigungen sind völlig haltlos“, meinte Sinowatz, fügte jedoch hinzu, er sei „kein Sesselkleber“; wenn die ÖVP einen Amtsverzicht Waldheims von seinem Rücktritt abhängig mache, sei er dazu bereit. ÖVP- Vorsitzender Mock wies dieses Angebot jedoch sofort zurück.

ÖVP-Generalsekretär Helmut Kukacka räumte unterdessen ein, daß Waldheim eine „Gefahr für die Koaliton“ sei. Auch sei der Aktionsradius des Staatsoberhaupts „sicher eingeschränkt“. Die ÖVP werde Waldheim „nicht bis zur Selbstaufgabe“ stützen.

Trotz starken Schneefalls nahmen am Samstag in Salzburg rund 2.000 Personen an einer Demonstration gegen Waldheim teil. Auch in Wien war für Sonntag nachmittag wie an den vergangenen zwei Sonntagen eine Demonstration angekündigt.

Eine ausnahmsweise positive Meldung für Waldheim kommt aus Belgrad: Das vom ,Spiegel, veröffentlichte Telegramm, das Österreichs Präsidenten Waldheim in die Nähe von Kriegsverbrechen rückte, ist nach Erkenntnissen des Belgrader Militärhistorischen Archivs eine Fälschung. Der Leiter des Instituts, Oberst Joksimovic, hat der jugoslawischen Agentur Tanjug zufolge in seinen Archiven ein Dokument mit derselben Seriennummer aufgefunden, dessen Inhalt völlig verschieden von der im Spiegel abgedruckten Version sei. Es habe offenkundig als Basis für die Fälschung gedient.

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