: Waldheim übt Zensur aus
■ Die österreichische Wochenzeitschrift Falter wurde auf Anweisung Waldheims beschlagnahmt, weil in der jüngsten Ausgabe eine Mordanzeige gegen ihn abgedruckt ist / Falter kündigt Rechtsmittel an
Wien (taz) - Reißenden Absatz fand die jüngste Ausgabe der linksorientierten österreichischen Wochenzeitschrift Falter in Wien. Der Run hat einen wenig erfreulichen Hintergrund: Bundespräsident Waldheim hatte schon am Erscheinungstag die Beschlagnahme des Hefts angedroht. Die Titelgeschichte über eine Anzeige wegen Mordes gegen Waldheim war diesem ein Dorn im Auge. Sogleich ermächtigte er die Staatsanwaltschaft zur Beschlagnahme und zur Aufnahme der Strafverfolgung wegen vielen „inkriminierenden“ Textstellen. Der Falter hat Rechtsmittel gegen die Beschlagnahme angekündigt. „Der Bundespräsident wird als (...) hinterhältiger Lügner“ und als „Parasit“ bezeichnet, behauptete gestern Dr. Hennig von der Präsidentschaftskanzlei gegenüber der taz. Nichts davon steht in dem Artikel von Walter Oswalt. Als inkriminierend kann die Staatsanwaltschaft vielleicht das Zitat ansehen: „Es gibt aber auch die ungleich größere Verantwortung tausender Karrieristen, die - oft ohne Nazi zu sein - für ihren persönlichen Erfolg die Todesmaschinerie mitbetrieben haben. Zu ihnen gehörte Waldheim.“ Der Autor vermutet, daß der Stein des Anstoßes in Wahrheit die im selben Heft abgedruckte Mord– Anzeige gegen Waldheim war. Wie berichtet, haben 300 Österreicher, darunter Erich Fried und Robert Jungk, Strafanzeige wegen Verdachts auf Mord erstattet. Oswalt vermutet, sein Artikel müsse als Beschlagnahmungs– Grund herhalten, weil es zugleich müßig und peinlich wäre, gegen Fried und Jungk - selbst NS–Opfer - und gegen 300 österreichi sche Mitunterzeichner vorzugehen. Nach der schnellen Reaktion Waldheims am Erscheinungstag gingen Verkauf und Auslieferung des Falter zunächst ihren normalen Gang. Erst am Donnerstagabend wurde die Beschlagnahme– Ermächtigung dann in die Tat umgesetzt - zu dem Zeitpunkt waren die meisten Exemplare schon verkauft. Aus der Einstampf–Aktion zieht Walter Oswalt den Schluß: „Daß der Bundespräsident zum Mittel der Zensur greift, heißt, daß er selbst 50 Jahre nach dem Anschluß noch nicht begriffen hat, was eine Demokratie ist und daß zu ihr lebensnotwendig eine freie Presse gehört. Meinungs– und Pressefreiheit hören für ihn dort auf, wo es um seine Person geht“. Außerdem sind alle Behauptungen des Autors „vielfältig belegbar“. „Da sich der größte Teil der Behauptungen auf den Bericht der Historikerkommission stützt“, fragt sich Oswalt, „wann Dr. Waldheim auch den (...) beschlagnahmen lassen wird.“ drea
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