Währungsreform - Rambazamba auf Nicaraguas Märkten

■ Die populäre Parole „Den Spekulanten an den Kragen“ ist schwer durchsetzbar / Trotz Lohnerhöhungen bleibt der Gürtel bei den Mindestlohnempfängern eng geschnallt

Aus Managua Georg Hodel

Für einmal scheint in Nicaragua der Krieg vergessen. Denn nichts bewegt die Nation so sehr wie die Mitte Februar von Präsident Ortega verordnete Währungsreform. Der Ausgang des Experiments ist durchaus ungewiß. Dem Hauptziel, der in diesem Jahr auf über 1.400 Prozentpunkte angestiegenen Inflation Herr zu werden, scheint man bis jetzt nicht näher gekommen zu sein. Der neue offizielle Wechselkurs von zehn zu eins gegenüber dem Dollar, was der Parität der Landeswährung, des Cordobas, vor acht Jahren entspricht, steht bereits unter einem großen Druck. Auf dem Schwarzmarkt wird bereits das Fünffache geboten, obwohl die derzeit in Umlauf gebrachte Geldmenge weniger als ein halbes Prozent der alten ausmacht. Während der dreitägigen Eintauschaktion „operacion martires de quilali“ konnten die rund 850.000 Sparkonten des Landes bis zu zehn Millionen Cordobas alter Währung (ca. 200 Dollar) im Verhältnis von 1.000 zu eins gegenüber der neuen bar tauschen. Personen, deren Barbesitz die festgesetzte Maximaltauschmenge überschritt, konnten ihr Geld bei einer Bank gutschreiben lassen, doch nur wenn sie die rechtmäßige Herkunft des Geldes durch Rechnungen, Quittungen und ähnliches nachweisen konnten. Die Maßnahme zielte damit vor allem auch gegen die Spekulanten, die durch die Währungsreform den größten Teil ihrer gehorteten Cordobas verloren haben, es sei denn, sie hätten diese schon vorher in Dollars umgetauscht, um der Inflation ein Schnippchen zu schlagen. Die Regierung hoffte, damit auch der Konterrevolution das Handwerk zu legen, die ihre Dollar gegen die Landeswährung getauscht und damit für ihre Truppen Lebensmittel eingekauft hat. Vorsorglich ließen die nicaraguanischen Behörden während der Aktion sogar die Grenzen schließen, um sich der erwarteten Cordoba– Flut aus dem benachbarten Ausland zu erwehren. Daß die Inflation durch eine derartige Maßnahme kaum in den Griff zu bekommen ist, das wissen auch die Schöpfer der nicaraguanischen Währungsreform. Doch die Existenz von drei verschiede nen Wechselkursparitäten, nämlich eine für Ostimporte von einem Dollar zu 70 Cordobas, einem autorisierten Parallelkurs für Importe und Exporte aus dem Westen sowie für Privatpersonen und Touristen von einem Dollar zu 20.000 Cordobas und ein Schwarzmarktkurs von zuletzt einem Dollar zu 60.000 Cordobas, haben die Preise und Löhne wild durcheinanderpurzeln lassen. Während ein aus der Sowjetunion importierter Personenwagen vom Typ „Lada“ zum Schwarzmarktkurs umgerechnet sieben Dollar kostete, war die aus den USA importierte Bluejeanshose nicht unter 30 Dollar zu bekommen. Auch die Preisverhältnisse bei inländischen Produkten und Dienstlei stungen spielten verrückt. Die „tortilla“, die traditionelle Maisflade, etwa mit einem 50–Pfennig– Brötchen in Europa vergleichbar, kostete - da nicht subventioniert - das Dreißigfache einer städtischen Busfahrt. „Wie soll man da noch planen können“, klagte Innenminister Tomas Borge, „wenn das Auswechseln der Glühkerzen eines westlichen Traktors schon fast so viel kostet, wie der Einkauf eines fabrikneuen Traktors in der Tschechoslowakei oder Polen?“ Gleichzeitig mit der Währungsreform nahm die Regierung auch eine grundlegende Umgestaltung der Löhne und Preise in Angriff. Die alte Lohnskala, welche alle drei Monate angepaßt werden mußte und zuletzt, nachdem die Betriebe dazu übergegangen waren, einen Teil der Lohnzahlungen in Naturalien zu leisten, ohnedies nicht mehr wirksam war, wurde stillschweigend abgeschafft und durch eine neue ersetzt. Sie soll vor allem die Facharbeiter finanziell besser stellen. Generell sind jetzt die Löhne auf das Fünffache erhöht worden und reichen von 500 bis 7.530 Cordobas, also zwischen 50 und 753 Dollar nach dem offiziellen Wechselkurs. Ebenso wurden die Preise zahlreicher Konsumgüter des Basisbedarfs und öffentlicher Dienstleistungen zwischen 100 und 1.000 Prozent angehoben und die Lebensmittelsubventionen abgeschafft. Diese Maßnahme trifft insbesondere die Mindestlohnempfänger. Offiziell dürfen jetzt für eine Flasche Bier 30 Cordobas, für einen Karton Eier bis zu 65 Cordobas verlangt werden. Für den Mindestverdiener heißt das konkret, daß er dafür sechs beziehungsweise 13 Prozent seines Monatslohns auf den Tisch legen muß. Die Durchsetzung der neuen Preise ist allerdings keineswegs gesichert. Die „freie“ Preisbildung ist angesichts der großen Nachfrage eine Farce. Wegen des Krieges und des US–Handelsboykotts fehlt es nicht nur an Devisen, Ersatzteilen, Maschinen, Arbeitskräften, es wird auch viel zu wenig produziert, insbesondere für den internen Konsumgüterbedarf. Die 60.000 Kleinhändler und Marktfrauen in Managua, die ihre angehäuften Cordobas nur zu einem kleinen Teil gegen die neue Währung eintauschen konnten, probten gleich den Aufstand. Ohne mit der Wimper zu zucken, boten sie ihre Waren gleich zu einem Mehrfachen der neuen Preise an. Dies hat böses Blut geschaffen: Aufgebrachte Konsumenten stürmten in einigen Städten des Landes die Verkaufsstände der mutmaßlichen Spekulanten und verkauften die gehorteten Güter und Waren in Eigenregie zu den offiziell festgesetzten Preisen. In der Nacht zum Samstag der ersten Woche nach Inkraftsetzung der Währungsreform besetzten gar Hunderte von Aktivisten der sandinistischen Stadtteilkomitees sowie Mitglieder der sandinistischen Gewerkschaftszentrale, begleitet von staatlichen Preisüberwachern und Polizisten, den berüchtigten „Mercado Oriental“ und rissen die Marktstände der illegalen Händler nieder. Es kam zu Handgreiflichkeiten, und schon kursierten Gerüchte über die ersten Toten. Doch so weit war es dann doch nicht gekommen, und am Wochenende kehrte wieder Ruhe ein. Die Regierung hofft, daß diese „beispielhafte Aktion“ auch anderswo Schule macht. „Die Spekulation hat sich überall eingenistet“, zürnt Daniel Ortega, „auch beim Staat und in der Privatindustrie.“ Jetzt sollen Freiwilligen– Brigaden und Versorgungskomitees der Korruption, dem Schlendrian und der Verschwendung auf den Leib rücken. Rund 300 sandinistische Kader sind dazu aus Armee, Partei und Ministerien abgezogen worden. Im Moment ist durchaus noch offen, wer an der Preisfront die Oberhand behält: die Regierung oder der spekulierende Privathandel.