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I N T E R V I E W „Es war ein Gespräch in derselben Sprache“

■ Lew Kopelev über das Kopenhagener Treffen zwischen russischen Emigranten und Intellektuellen aus der Sowjetunion

Vergangene Woche trafen sich in Luisiana, nördlich von Kopenhagen, russissche Exil– Schriftsteller und Slawisten mit sowjetischen Intellektuellen. Neben Kopelev nahmen an dem bisher ersten Treffen dieser Art teil u.a. Juri Afanasjew vom Historischen Institut Moskau und der in Paris lebende Literat Andrej Sinjawski. taz: Von welcher Seite kam der Wunsch nach einem Treffen zwischen Emigranten und sowjetischen Intellektuellen? Kopelev: Von den Slawisten der Kopenhagener Universität. Aber die sowjetische Seite hat sich nicht gescheut, mit uns zusammenzutreffen. Es war ein lebhafter und letzten Endes freundschaftlicher Dialog. So etwas erlebe ich zum ersten Mal seit den fünfeinhalb Jahren, die ich im Ausland lebe. Natürlich wurde auch gestritten, aber im Großen und Ganzen war es ein Gespräch in derselben Sprache, wo es allen um eines ging: die Entwicklung der russischen Literatur und Kultur. Wäre dieses Gespräch früher denkbar gewesen? Nein, meines Erachtens noch bis vor einem Jahr nicht. Aber jetzt wurden wirklich vor treffliche Vorträge gehalten, was Objektivität und Reife des künstlerischen Urteils betrifft. Autoren aus Moskau berichteten, was sich für sie in den letzten zwei Jahren geändert hat. Es wurde über die neuen Bucherscheinungen diskutiert, und auch die Autoren im Ausland wurden erwähnt. Etwa der verstorbene Viktor Nekrassov, und andere Vertreter wichtiger literarischer Strömungen der 60er und 70er Jahre. Und alle waren sich einig darüber, daß es nur eine Literatur gibt, daß die ideologischen und staatspolitischen Grenzen nur etwas Bedingtes sind, etwas Trauriges, aber Nebensächliches; daß von Dauer nur der künstlerische Wert und die moralische Aussage sind. Wurden Emigranten auch nach Moskau eingeladen? Nein, das konnten sie ja nicht; es waren ja keine Diplomaten. Aber sie hofften, daß es bald möglich sein werde. Oder gibt es Projekte, Exilliteratur in der Sowjetunion zu veröffentlichen? Ja, Prof. Afanasjew sprach sogar über eine richtige Zusammenarbeit, z.B. über die „West–östlichen Spiegelungen“, die ich hier in Deutschland mache. Oder auch die Sammelbände russischer Lyrik von Prof. Etkin. Aber es gibt noch keine konkreten Projekte. Wurde über die Stalinsche Kulturpolitik gesprochen? Selbstverständlich. In der Einschätzung der Stalinschen Kulturpolitik waren wir uns alle einig. Wie werden die Gespräche weitergehen? Ich hoffe, daß sie weitergehen. Ich habe den Vorschlag gemacht, daß diese Konferenz von Luisiana zu einer Dauerveranstaltung unter skandinavischer Initiative wird. Vielleicht könnten auch Geisteswissenschaftler aus Polen oder der Tschechoslowakei in Zukunft teilnehmen; nicht nur Schriftsteller: auch Historiker und Philosophen. Aber es soll ein Gespräch zwischen Exilanten und Gebliebenen bleiben? Ja, obwohl die Widersprüche zwischen Emigranten oft viel schärfer sind als die zu denen in der Heimat. Das hat Sinjawski sehr schön zum Ausdruck gebracht. Er sagte: Mich interessiert es gar nicht, ob ein Werk prosowjetisch ist oder nicht. Mich interessiert, ob es ein Kunstwerk ist.

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