Press-Schlag
: Hot–dog–skiing

■ Die Trick–SkifahrerInnen auf dem Sprung nach Olympia

Man nehme einen Eiskunstläufer, stelle ihn auf 1,50 Meter kurze Skibretter, lasse ihn auf einem nur leicht geneigten Hang zu klassischer oder Rockmusik tanzen und würze seine Kür mit kunstturnerischen Elementen. Das ganze ist dann die Vorführung eines Skiakrobaten der Disziplin „Ballett“. Gleich in der Nähe der plattgewalzten Fläche ist eine Buckelpiste; das Springen am Steilhang ist die dritte Disziplin dieser relativ jungen Sportart. Erste Versuche, die Berghänge nicht nur stur hinunterzufahren, gab es bereits Anfang des Jahrhunderts; nach Europa wurde das „Hot–dog“–Fahren erst 1970 von Fuzzy Garhammer importiert. „Hot–dog–skiing“ wurde das Buckelpistenfahren genannt, bei dem es nicht nur auf die Zeit ankommt, sondern ebenso Figuren gesprungen werden, Spagate, Schrauben. Die englische Sprache wurde gleich mit importiert, und der Pistensprecher übersetzt sie über die musikdröhnenden Riesenlautsprecher, „damit auch Sie, liebe Zuschauer, das verstehen“. Nur beim Startkommando „three, two, one, go“ vertraut er auf die fremdsprachlichen Kenntnisse des Publikums. Seit fünfzehn Jahren werden Wettbewerbe durchgeführt, doch erst am vergangenen Wochenende, beim 10. Weltcup in Hindelang, schien der Durchbruch zu gelingen. Bei der Olympiade in Calgary war Trickski - „Freestyle“ in der Pistensprache - Demonstrationssport, und fast 200.000 waren an den Wettkampfstätten. Unter den Aktiven beherrscht „geselliges Beisammensein“ die Atmosphäre, die rauhe Konkurrenz wie bei den Alpinen gibt es hier (noch?) nicht. Tatjana Mittermaier, Spezialistin für die Buckelpiste, hatte die Eigenbrötlerei der Alpinen satt: „Die trainieren alle getrennt, damit keiner dem anderen was abschaut. Bei uns sorgen schon die äußeren Bedingungen für andere Verhältnisse. Die Hänge müssen präpariert und die Schanzen gebaut werden, und alle trainieren auf der selben Piste. Wir helfen uns gegenseitig und haben eine Mordsgaudi.“ Daß es hier noch locker zugeht, zeigen auch die Siegerehrungen, die im Rahmen einer Abendveranstaltung stattfinden. Hier stehen sie mit ungekämmten Haaren auf dem Podest, finden sich schlabbernde Cordhosen und uralte Turnschuhe wie geflickte Jacken und gebleichte Jeans. Ein fideles Völkchen, das sich anschickt, olympisch zu werden. In Calgary konnten sie fast die meisten Zuschauer anlocken, ein Bonus ebenso wie das Interesse der sozialistischen Länder, einer starken Lobby im Internationalen Olympischen Komitee. Die Trickskifahrer selbst rechnen fest damit, 1992 in Albertville dabei zu sein. Kritische Stimmen wie die von Willi Daume, dem die Winterspiele „eh schon zu lange dauern“, dürften bei der augenblicklichen Stimmung nicht so ins Gewicht fallen. Die Kritiker vergessen, wer heute das Sagen hat: viele Zuschauer, viel Werbung, viel Fernsehen. Freestyler, die seit zwei Jahren eine eigene Sektion im Deutschen Skiverband haben, verzichten zwar seit kurzem offiziell auf hohe Startgelder, um sich amateurhaft zu zeigen, „aber wer ist heute noch Amateur“, fragt Hermann Reitberger. Der Ballett– Weltmeister kreiert eine eigene Freestyle–Kollektion, „die fast schon einen Namen hat wie Willy Bogner“. Auf den Hängen zählt längst nicht mehr nur der Sport, mehr als die Alpinen bestimmen heute die phantasievollen Trickski–Asse die Pistenmode. Thomas Schreyer