: Der Shultz–Plan: Eine Falle für die PLO
■ Eines hat der Shultz–Plan mit Sicherheit bewirkt, gleichgültig ob er jemals Realität wird: Mißtrauen zwischen den Palästinensern und der arabischen Welt / Offensichtliche Kooperation von Syrien und Jordanien gegen die Palästinenser
Von David Kuttab
David Kuttab ist Redakteur der in Ostjerusalem erscheinenden palästinensischen Zeitung Al Fajr. Sein Beitrag ist im Mideast Mirror erschienen und wurde vom Palästina–Bulletin (August–Bier–Straße 33, 5300 Bonn 1) nachgedruckt Der Shultz–Plan wird möglicherweise - nachdem ihn die Palästinenser zurückgewiesen und die betreffenden arabischen Staaten ihm scheinbar zugestimmt haben - die innerarabischen Differenzen verschärfen und zu einer Spannung in den palästinensisch–arabischen Beziehungen führen. Die palästinensische Ablehnung und das Mißtrauen gegen den von Shultz vorgeschlagenen Friedensplan waren bereits laut geworden, bevor der US–amerikanische Außenminister ägyptische Bestätigung und stillschweigende oder auch verbale Zustimmung von Jordanien und Syrien erfuhr. Aber die Zustimmung zu diesem Plan hat das Mißtrauen eher vertieft. Wie vor einigen Jahren, besonders aber in den vergangenen drei Monaten, waren es die Palästinenser in den besetzten Gebieten, die bezüglich der verschiedenen Friedenspläne die politischen Akzente setzten. Sie erklärten ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Shultz–Plan bereits, bevor die PLO ihre offizielle Position zum Ausdruck brachte. Der abgesetzte Bürgermeister von Hebron, Mustafa Natsche, gleichzeitig einer jener Palästinenser, die von der PLO ausgesucht worden sein sollen, um sich mit Shultz zu treffen, teilte Reportern gegenüber mit, daß in dem amerikanischen Plan zwei wichtige Elemente fehlten: Das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und das Recht, seine Vertreter selbst zu wählen. Amerikanische Offizielle haben sich stets geweigert, das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung anzuerkennen. Begründet wurde das damit, daß die Palästinenser dieses Recht von den Arabern und nicht von den Vereinigten Staaten einforden müßten. Der Shultz–Plan sieht vor, daß die Palästinenser im vorgeschlagenen internationalen Rahmen innerhalb einer gemeinsamen jordanisch–palästinensischen Delegation repräsentiert werden. In diesem Zusammenhang war niemand in der Lage, die Bedeutung des Begriffs „beiderseitige Zustimmung“ in bezug auf die palästinensischen Teilnehmer zu klären. Die amerikanische Haltung verschlechtert die palästinensisch–arabischen Beziehungen und kommt dem Wunsch der arabischen Regime entgegen, die nationale Identität der Palästinenser zu unterdrücken. Für die Palästinenser steht fest, daß die arabischen Staaten sich ernsthaft dagegen aussprechen würden, ihnen ihr Recht auf Selbstbestimmung zu garantieren. In seinem Buch „The Blood of Abraham“ bemerkt der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten, Jimmy Carter, daß sich in vertraulichen Gesprächen kein arabischer Führer für die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates ausgesprochen habe. Syrien brachte seine Ablehnung gegen einen palästinensischen Staat nach dem arabischen Gipfel in Amman klar zum Ausdruck, als es erklärte, Palästina sei Teil eines „größeren Syrien“. Das staatliche syrische Fernsehen nennt die besetzten Gebiete Teil des „besetzten Heimatlandes“, und das bedeutet, daß Palästina Teil der syrischen Heimat ist. Außerdem existiert ein tiefes Mißtrauen Jordanien gegenüber. In Jordanien wurden palästinensische Professoren an der Yarmouk Universität verhaftet, weil sie versucht hatten, ein Seminar über den Aufstand vorzubereiten. In Amman wurden Palästinenser reihenweise festgenommen. Druckereibesitzer in Jordanien wurden vorgeladen, und man verbot ihnen, Flugblätter über den Aufstand zu drucken. Ein politischer Kommentator des staatlichen jordanischen Rundfunks benutzte den israelischen Begriff „ash shayab“ für den Aufstand, was soviel heißt wie „Unruhestiften“. Diese offensichtliche syrisch– jordanische Kooperative gegen die Palästinenser kam sehr deutlich in der plötzlichen und überraschenden Unterstützung für Syrien durch die pro–jordanische Tageszeitung An–Nahar zum Ausdruck. In einem am Donnerstag veröffentlichten Leitartikel lobte die Zeitung Syrien in den höchsten Tönen und nannte es „die pan–arabische Seele der Palästinenser“. Die Zeitung erging sich in Anspielungen über die Unfähigkeit der Palästinenser, ohne Syrien und Jordanien, „die beiden Lungenflügel der Palästinenser“, zu existieren. Die Palästinenser sind über diese neu entdeckte Liebe zwischen Syrien und Jordanien, die auf ihre Kosten gehen wird, beunruhigt. In Analysen heißt es, daß Jordanien entweder die PLO oder Syrien brauche, um in Verhandlungen mit Israel einzutreten. Eine palästinensische Quelle, die der Vereinigten Palästinensischen Führung nahesteht, teilte mit, daß man gegen den Shultz– Plan auch dann opponieren werde, wenn das Konfrontation mit Syrien und Jordanien bedeute. Das erklärt möglicherweise, warum Jordanien, das wegen seines großen palästinensischen Bevölkerungsanteils sehr verwundbar ist, eine öffentliche Einladung an den PLO–Vorsitzenden Arafat gesandt hat. König Hussein will zweifellos versuchen, Arafat die syrische Karte zu zeigen, um den PLO–Führer zu zwingen, sich unter jordanischen Bedingungen anzuschließen oder zu riskieren, den Zug zu verpassen. Der PLO–Führer wird noch aufmerksamer als bisher auf die lokale Führung des Aufstands blicken müssen. Denn sie wird, mehr als andere, der entscheidende Faktor sein.
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