Hamburgs lange Koalitionsnacht

■ Die Wohnungen der Neuen Heimat Nord werden von der Stadt Hamburg übernommen / FDP–Sieg beim letzten Streitpunkt der Koalition / Die Neue Heimat wird nicht übernommen / Millionenprogramm für die Wohnungen

Aus Hamburg Axel Kinzinger

Nach einer 20stündigen Marathonsitzung,die lediglich von einer Bürgerschaftsdebatte unterbrochen wurde, räumten die Hamburger Koalitionsparteien SPD und FDP gestern mittag den größten Stolperstein für den Fortbestand der derzeit einzigen sozialliberalen Koalition in der Bundesrepublik aus dem Weg. Die rund 41.600 Wohnungen des Gewerkschaftskonzerns Neue Heimat Nord werden demnach von der Hansestadt Hamburg übernommen. Im Schlichtungsorgan Koalitionsausschuß wollten die Sozialdemokraten unter Bürgermeister Klaus von Dohnanyi durchsetzen, daß neben den Wohnungen auch das Unternehmen Neue Heimat in öffentlichen Besitz übergeht - ein Anliegen, das in der Koalitionsvereinbarung vom September vergangenen Jahres in dieser Form nicht auftaucht und an dem die sozialliberale Landesregierung beinahe gescheitert wäre. „Der Fortbestand der Koalition hing heute nacht an einem seidenen Faden“, berichtete Ingo von Münch, Zweiter Bürgermeister und FDP–Doppelsenator. Die Freidemokraten gaben der 46–Prozent–Partei SPD nur in untergeordneten Streitpunkten nach. So scheiterte ihr Vorhaben, einige Wohnanlagen der Neuen Heimat privaten Investoren zum Kauf anzubieten. Die von der Hansestadt zu übernehmenden Woh nungen sollen von zwei städtischen Gesellschaften verwaltet werden, von denen eine gemeinnützigen Charakter bekommen soll. Nach langen Rechenspielen definierte der Koalitionsausschuß, in dem alle Senatsmitglieder sowie führende Parteifunktionäre sitzen, auf eine Deckungslücke - also der Differenz zwischen Mieteinnahmen und Eigentümerkosten - von 130 Millionen Mark. Diese Summe soll von den noch zu gründenden Gesellschaften als Eigenkapital übernommen werden. Im Rahmen eines Instandsetzungsprogrammes für die teilweise recht heruntergekommenen Neue–Heimat–Wohnungen sollen weitere 250 Millionen Mark für die Wohnungen eingebracht werden, erklärte Dohnanyi. Sein härtester Verhandlungsgegner, der Immobiliengroßhändler und FDP–Landeschef Robert Vogel hofft, dabei auch Bundesmittel einstreichen zu können. Nach der Einigung des Koalitionsausschusses müssen jetzt die Parteien und die Gewerkschaftsholding BGAG zustimmen. Während Vogel die Zustimmung der Freidemokraten zusicherte, hielt sich der SPD–Landesvorsitzende Ortwin Runde bedeckt. Und für den Fall, daß sich BGAG–Chef Heinz Sippel ziert, die 41.600 Wohnungen für die vereinbarte symbolische Mark abzugeben, drohte von Münch mit beinahe zugefallenen Augen: „Das wäre in dieser Situation unklug.“