piwik no script img

Ellweiler: Geschäftsführer angezeigt

■ Grüne: Umweltminister handelt rechtswidrig / SPD: einmalige Genehmigungspraxis Eigenwillige Version des Umweltministers sollte offenbar Schließung der Urananlage verhindern / Grenzwerte überschritten

Mainz (taz) - Als „rechtlich, unseriöse und abenteurliche Konstruktion“ hat der rheinland–pfälzische SPD–Landesvorsitzende, Rudolf Scharping die Interpretation der Strahlenschutzverordnung im Zusammenhang mit der Atomanlage Ellweiler von Umweltminister Hans–Otto Wilhelm (CDU) bezeichnet. Wilhelm hatte gestern eine rheinland–pfälzische Interpretationsvariante der Strahlenschutzordnung serviert, wonach trotz eindeutig gegenteiliger Meßergebnisse, Grenzwerte für die Strahlungen bei der Urananlage in Ellweiler nicht überschritten seien. Statt der angeblich zulässigen 150mrem/Jahr Ganzkörperdosisleistung waren bis zu 748mrem/Jahr gemessen worden. Doch der Minister behauptete am Donnerstag vor der Presse, die Werte der Strahlenschutzverordnung würden erst dann überschritten, wenn siccih ein Mensch tatsächlich länger an einer Stelle aufhält, an der bereits eine hohe Außenstrahlung festgestellt worden war. Wilhelms eigenwillige Version der Strahlenschutzverordnung verfolge offenbar das Ziel, die Schließung der Urananlage zu verhindern, sagte Scharping gestern vor Journalisten. Das Verhalten des Ministers sei „ungewöhnlich unsorgfältig und politisch dumm“. Scharping verlangte, daß man die Genehmigungen von Ellweiler offenlegen soll. Denn die „offenkundig einmalige Genehmigungspraxis“ könne nicht geduldet werden. Michael Sailer vom Damstädter Öko–Institut verwies darauf, daß „in keinem Bundesland bei keiner Atomanlage die Rheinland–Pfalz–Garantie von 150mrem/Jahr zum Zuge käme. Vielmehr gelte für alle Atomanlagen das sogenannte 30mrem– Konzept. So hatte beispielsweise der Vorgänger Wilhelms, der jetzige Bundesumweltminister Klaus Töpfer die Schließung des Pförtnerhäuschens der Anlage für den Publikumsverkehr veranlaßt, weil dort die 30mrem/Jahr an Ganzkörperdosisleistung überschritten werden könnten. Die rheinland–pfälzischen Grünen prüfen derzeit rechtliche Schritte gegen den rheinland–pfälzischen Umweltminister, der „jahrelang ein erhöhtes Strahlenrisiko für die Bevölkerung im Umkreis der Urananlage in Kauf genommen habe“. Zudem soll der Landtag den Minister auffordern, daß die Urananlage stillgelegt und ein Sanierungskonzept zur Reduktion der Strahlenbelastung erarbeitet werde, sagte ein Sprecher der Grünen zur taz. Der Grünen–Kreisverband Birkenfeld hat gegen den Geschäftsführer der Gewerkschaft Brunhilde (Eigner der Atomanlage in Ellweiler) Strafanzeige gestellt, weil dieser behauptet hatte, die Grenzwerte seien nie überschritten worden. Felix Kurz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen