: Süssmuth und Gallo Hand in Hand
■ Der führende Aids–Forscher Robert Gallo (USA) stützt den Kurs von Familienministerin Süssmuth / Warnung vor „selbsternannten Experten“, die nie an einem Virus geforscht haben
Bonn (dpa) - Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth (CDU) und der amerikanische Aids–Forscher Prof. Robert Gallo haben gestern gemeinsam vor einer Aids–Panik gewarnt. Auf einer Pressekonferenz im Bonner Wissenschaftszentrum warnte Gallo vor „falschen Experten, die nie mit einem Virus geforscht haben“. Wenn er Aids–Berichte in der Presse lese, denke er oft, es sei nicht dieselbe Krankheit, über die er forsche. Für die Medien sei es allerdings sehr schwer, zwischen wirklichen Experten und „Augenblicksexperten“ zu unterscheiden. Zu den amerikanischen Sexualforschern William Masters und Virginia Johnson sagte Gallo, ihre Studien über heterosexuelle Ansteckungswege hätten nichts Neues gebracht. Ihre Schlußfolgerung, daß Aids außerhalb der Risikogruppen stark zunehmen werde, sei von größeren Studien bereits widerlegt. Gesundheitsaufklärung und Vorsicht bei sexuellen Kontakten seien das, was derzeit angebracht sei. Es gebe nur zwei große gesellschaftliche Probleme, bei denen die Wissenschaft nicht helfen könne: die Drogenabhängigen und die Ausbreitung von Aids in Zentralafrika. Es gelte alles zu tun, um den Drogenkonsum zu verhindern. Ministerin Süssmuth erklärte, die größte Aids–Gefahr gehe von drogenabhängigen Männern und Frauen aus, die sich durch Prostitution das Geld für ihre Drogen beschaffen: „Jeder, der sich auf solche Sexualkontakte einläßt, setzt sich einem tödlichen Risiko aus.“ Nach Angaben von Frau Süssmuth lebten in der Bundesrepublik Mitte März 1.077 Aids–Kranke, 813 weitere sind bereits gestorben. Die jetzt beobachteten Erkrankungen gingen auf Infektionen zurück, die zum größeren Teil fünf und mehr Jahre zurücklägen. Das Nationale Aids–Zentrum beim Bundesgesundheitsamt in Berlin betreue derzeit 70 Forschungsvorhaben mit rund 40 Millionen Mark, weitere 35 Anträge lägen vor. Zum neuen Aids–Virus HIV–II sagte der Aids–Forscher Gallo, die Bedeutung dieses Virus werde überschätzt. Es sei praktisch nur in Westafrika verbreitet. In Frankreich sei bei 100.000 Aids– Tests kein einziger HIV–II–Fall gefunden worden. In den USA sei das neue Virus bisher nur bei einem Touristen aus Westafrika nachgewiesen worden.
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