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Tschnerobyl war zündender Funke

■ Die Verteidiger fordern im „Strommasten–Prozeß“ erheblich mildere Strafen / Betroffenheit über Tschernobyl und Ohnmacht gegenüber der Atomlobby sei tatauslösend gewesen

München (dpa) - Erheblich mildere als die von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafen haben die Verteidiger der jungen Strommastsäger von Starnberg vor dem Landgericht München beantragt. Der Anwalt des 25jährigen „Ratz“ plädierte am Mittwoch auf eine „noch überschaubare“ Strafe von höchstens acht Jahren, der Verteidiger des 20jährigen Matthias hielt eine Jugendstrafe von maximal fünf Jahren für angemessen. Das Urteil soll am Gründonnerstag (31.März) gesprochen werden. Die beiden jungen Männer stehen seit Anfang Februar für eine Serie von Straftaten, darunter Anschläge auf Strommasten und den Bahnverkehr, vor einer Jugendstrafkammer. Die Anklage wirft ihnen unter anderem versuchten Mord, gefährlichen Eingriff in den Schienenverkehr und Störung öffentlicher Betriebe vor. Dafür hatten die Staatsanwälte Hartmut Kaiser und Hans Veigel am Dienstag Strafen von zwölf und acht Jahren gefordert. (die taz berichtete) Für die Verteidiger Gerhard Meyer und Klaus Witt waren die Atomkatastrophe von Tschernobyl und die Diskussion über die atomare Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf der „zündende Funke“, der das Pulverfaß der persönlichen Probleme der beiden jungen Menschen zum explodieren brachte. Zumindest bei den ersten drei Anschlägen im September und Oktober 1986 seien Betroffenheit über Tschernobyl und ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Atomlobby tatauslösend gewesen, betonte Witt. „Tschernobyl brachte viele Menschen auf die Straße, wildeste Überlegungen wurden angestellt, in diesem Zusammenhang sind die Taten zu sehen“, sagte Meyer. Im Jahr 1986 waren laut Witt bundesweit 186 Anschläge auf Strommasten aus Protest gegen Atomkraftwerke verübt worden. Aus Debatten „im Alkoholdunst“ seien die Delikte der Angeklagten entstanden, meinte Meyer. Die „sehr, sehr fernliegende“ Möglichkeit tödlicher Folgen haben beide Angeklagte nach den Worten ihrer Verteidiger nicht in Betracht gezogen. (siehe auch nebenstehenden Kasten)

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